Unter dem Lichtspalt

Von Elfriede Jelinek

Einar Schleef ist Geistes-Gegenwart. Das heißt, er muss immer DA gewesen sein, und trotzdem weiß ich nicht, wie und wann er dieses riesige Werk, das er hinterließ, geschaffen hat. Ich kann es mir nicht vorstellen. Nur mit der Hilfskonstruktion, dass für ihn eben jede Sekunde, auch der Nacht, JETZT gewesen ist, eine Art Absprungsort. Aber er war auch das Ziel, in das er gesprungen ist. Doch Absprung und Ziel müssen bei einem, der ununterbrochen gearbeitet hat, da sie ja immer in Eins zusammenfallen, eine Art Zeitschleife geworden sein, ein Hamster im Laufrad. Einar Schleef war das Perpetuum Mobile, das es nicht gibt und nicht geben kann, also war er es natürlich nicht. Er kann es nicht gewesen sein. Er hat eine Kraft zum Antreiben gebraucht, so dass dieses Abspringen und zugleich im Ziel Ankommen war wie vielleicht das, was der Hamster im Laufrad eben so macht, weil man drin nichts andres machen kann. Zu sehen, was man erlebt, von früher Kindheit an, ist auch schon gleichzeitig Verdunkeln wie Erhellen. Sich Verlieren wie Sich Finden, beides gleichzeitig. Immer alles gleichzeitig, denn was er erfahren und erlebt hat, hat er ja in derselben Sekunde schon umgewandelt, und nicht nur in eins, sondern in vieles, er hat ja seine eigene Autobiographie gleich mehrmals, an verschiedenen Wohnsitzen, in verschiedene Computer geschrieben, ein und dasselbe Ereignis mehrmals, immer wieder. Man darf nichts verlieren, man muss alles behalten, man darf nichts für sich behalten. Sich selbst bereits vor sich sehen, während einem noch etwas geschieht, während man noch alles wahrnimmt, was um einen herum geschieht, heißt nicht, mit sich selbst alles, soviel wie möglich, verdecken, damit man selbst umso deutlicher hervortritt, nein, bei Schleef heißt es, dass da etwas Riesenhaftes, ihn Verdunkelndes auf ihn zurast, und er muss sich retten, indem er durch das Dunkle hindurchsieht, durch die Erscheinungen hindurch, die ihn dauernd zu verdecken drohen, alles um ihn herum, und ihn selbst auch. Er will ja nicht selber auftauchen, er will, dass ALLES auftaucht, indem er selbst erscheint. Ja. Als schriebe er mit dem Tod um die Wette. Als hätte er mit dem Tod um die Wette geschrieben, der für ihn, zumindest seit seinem schweren Unfall als Halbwüchsiger (ein Geschehen, das ihn aus dem fahrenden Zug geschleudert hatte, der sich dann aber nicht um ihn gekümmert hatte und weitergefahren war, mitsamt der zurückgebliebenen Tasche), eine reale Anwesenheit war.

In seinem damaligen Spitalszimmer — an den Sturz aus der Eisenbahn konnte er sich natürlich nicht mehr erinnern, ich glaube, die Zeit zwischen Sturz und Spitalszimmer ist die einzige Zeit in seinem Leben, an die er sich nicht erinnern konnte — sind ja alle außer ihm gestorben, und jeden von ihnen hat er, nicht in demselben Augenblick, in demselben Augenblick war er hilflos und konnte kein Glied regen, wirklich keines, später dann wieder zurückgeholt, aber so, als wären sie wirklich nein, nicht wieder, sondern: noch einmal da. Er hat alles vervielfacht, indem er es neu hervorgeholt hat. Etwas, das auf einen zukommt, die ganze Realität, in die man eingeschlossen ist wie eine Fliege in Bernstein, verdeckt alles, aber Schleef war einer, der im Vergehen der Zeit jeden Augenblick den Verdunkelungsvorhang absichtlich nicht runtergenommen hat, der den Krieg der Welt und mit der Welt normalerweise ständig verdeckt (damit der Krieg nicht merkt, dass hier Menschen wohnen), aber durch die Ritzen, wo der Vorhang zusammengenäht ist, schimmert noch immer ein wenig Helligkeit, sodass man tagsüber wenigstens lesen kann, wenn man ganz nahe rangeht.

Schleef hat also die Verdunkelung als solche angenommen, sie herunterfallen lassen mit dem Krach eines schweren Bühnenvorhangs, und er hat sie gleichzeitig im Herunterfallen wieder gehoben. Aufgehoben. Ich weiß nicht, wie das geht, sonst würde ich es ja auch machen. Und Lesen durch die spärlichen Lichtritzen, die auf den Text fallen, war ihm auch immer zuwenig. Er musste: umwandeln. Schaffen als Umwandeln: Ich weiß kein andres Wort dafür. Entweder Umwandeln in streng ausgearbeitete Aktion, also im Umherwandeln auf den Bühnen oder Umwandeln und Umherwandeln in der Schrift, und seine Schriften sind viel zu wenig gewürdigt worden bis jetzt, sie sind ein Jahrhundertwerk. Ich kenne nichts Vergleichbares. Sie sind alles, und sie sind noch mehr als alles, das hat er als einziger, den ich kenne, erreicht: mehr als alles zu schaffen. Indem er vielleicht, wie dieser Verdunkelungsvorhang, mit dessen Lichtlinien die meisten von uns ohnehin überhaupt nichts anfangen können, nicht einmal lesen, noch weniger schreiben, die Menschen und Gegenstände gleichzeitig verdeckt und erhellt hat, sodass die riesige dunkle Fläche allein durch diese Lichtleisten zu einer riesigen Helle geworden ist, hat er mehr als alles machen können. Ich kann es nicht sagen. Er hätte es vielleicht gekonnt, indem er etwas anderes, und meist sehr Konkretes, Angreifbares gesagt hätte: für ihn war Schreiben Leben, ja, vielleicht war es so einfach. Und auch das, was er auf der Bühne gemacht hat, war Leben. Es war immer eins zu eins, aber es war nicht unentschieden. Es war aus manisch zusammengescharrten Bröseln und Fetzen gemacht, gesammelten Fetzen für die Puppen seines Kinder-Kasperltheaters, später für die Marionetten, dann für diese unglaublichen Bühnenkostüme, jedes einzelne von ihnen schon eine Besessenheit, jedes einzelne auf seine Art auch eine Sprach-Besessenheit, die ihre eigene Sprache selbst geschaffen hat; aber gleichzeitig war es immer auch dieses Häufchen von vom Tisch rasch mit der hohlen Hand in die andre hohle Handfläche gefegten Essensbröseln, die man in den Mülleimer schmeißt. Nur dass aus jedem dieser Brösel bei Schleef schon wieder manisch, rasend, fuchtelnd der ganze Gegenstand, von dem es abgefallen war, wieder erstanden ist, also wirklich, ich muss sagen: geschaffen wurde. Und zwar nicht einmal geschaffen, sondern gleichzeitig immer wieder geschaffen, immer wieder, in Parallelwelten, die zwar gleich, aber nie kongruent waren. Alles, was abgefallen ist, hat eine neue Welt geschaffen, bis alles ins Riesenhafte gewachsen ist, in der Summe aller Teilchen, ein umgekehrter entropischer Vorgang: Nicht die Unordnung nimmt zu, bis alles gleich ist, sondern millionenfache Unordnungen wachsen nebeneinander, sie mischen sich nicht, sie ergeben nebeneinander jede ein neues eigenes Universum. Nicht eines, sondern unzählige Universen.

Braucht man da einen Motor, um sich selbst an seine Vergangenheit, an seine Kindheit anzukoppeln? Der Motor war dieser Riese selber, der mit den Füßen den Boden berührt, wirklich mit beiden Beinen auf der Erde gestanden ist, aber wo war der Rest von ihm? Und die entsetzlichen Demütigungen, die er durch seine Eltern, den um sich schlagenden Mutterdämon, den tobenden, prügelnden Vatergott erfahren hat, haben ihn in diese Teile zerbrochen, aber jeder dieser Teile ist, durch Berührung mit der Erde, wieder aufgestanden, ein Vorgang von wirklich antikischer Größe, und hat neue Teile geschaffen, geschrieben, auf die Bühne gebracht. Die Riesenhände der Eltern: Wer Eltern hat, hat keine Ahnung. Er wird normal. Wer Eltern hat wie diese, dem ist, als wäre die Welt wirklich aus Nichts geschaffen, denn diese Elternhände sind genau diejenigen, die aus Etwas das Nichts schaffen, und das Nichts selbst muss dann manisch wieder etwas erschaffen und so weiter. Indem sie dem Sohn das Gefühl der eigenen Wertlosigkeit einpflanzen, aufgrund ihrer Überdimension, ihrer Riesenhaftigkeit eben, erschaffen sie im Sohn (falls sie ihn nicht ganz zerstören, diese Gefahr besteht natürlich immer, sie haben natürlich auch Einar zerstört, aber aus jedem seiner Teile ist dann halt etwas Größeres geworden als Zerstörung je hervorbringen könnte) etwas, das kein Sohn mehr ist, aber auch kein Vater, keine Maschine, aber etwas, das dauernd sich selbst gebären muss, da ja die Frau, die einen geboren hat und der Vater, der einen gezeugt hat, einfach nicht wahr sein konnten. Ja, ich glaube, dieser volkstümliche Ausdruck (der Volksmund hat ja immer recht, das ist seit Jahrhunderten erprobt, was er sagt): das kann ja nicht wahr sein! hat auf Schleefs Eltern vollkommen zugetroffen. Sie konnten nicht wahr sein. Das konnte es nicht gegeben haben, diese Gigantenfamilie. Was sagt «sein», Schleefs Nietzsche? — habt ihr ihn schon erfunden, den hässlichsten Menschen? Oder davor: — sie haben sich ihren Gott und ihre Welt aus Nichts geschaffen: was wunders, dass — ihr sagtet nicht genug. Wie? Es ist Alles Schein? Es ist alles Lüge! Wie? Es ist alles Leiden und Untergang? Es ist alles Leiden- und Untergehen-Machen!

Aus diesen nachgelassenen Nietzsche-Fetzen, aus diesen Bröseln und Essensabfällen, die in die eine hohle Hand mit der andren hohlen Handschaufel geschubst werden sollen, damit sie entsorgt werden können und Sauberkeit herrscht, entsteht ein Einar Schleef. Ein Bogen, der sich selbst abschießt, und wehe, es könnte Einer, Einar (es kann kein Zufall sein, dass er Einar geheißen hat! Ein Name, der aus dem Nichts kommt, wie ein Felsblock aus dem Boden taucht, ich kenne keinen zweiten Menschen, der so heißt, obwohl es den Namen sicher öfter gibt) auf diesen Bogen einen Pfeil drauf legen, der wäre er dann auch noch selber. Etwas sehen hieß also (ich schreibe oft in der Gegenwart über ihn, fällt mir auf, ich habe mich soeben korrigieren müssen, er ist Vergangenheit, aber er ist natürlich da, und durch die Tagebücher ist er vielleicht noch mehr da als überhaupt jemand da sein könnte), dass jedes Partikel, das man da sieht, alles gleichzeitig verdeckt wie hervorholt. Da kann ein Brotbrösel, die Haut einer Thüringer Wurst (gibt es sicher, hab ich nur noch nie gegessen), ein Bratenknochen, wenns denn mal Fleisch gegeben hat, nicht nur dazu dienen, als kaleidoskopische, durcheinanderklickende, sich zu hübschen Bildern arrangierende, aber letztlich unbrauchbare Splitter und Teilchen weggeschafft zu werden, um die Ordnung auf dem Tisch wiederherzustellen, naja, irgendeine Ordnung, sondern, im Gegenteil, jedes dieser Fragmente, egal wie winzig es sein mag, aus dem Chaos neu zu erschaffen, es immer wieder hervorzuholen und damit jede Ordnung dauerhaft zu zerstören. Das sind Schleefs Tagebücher, das war er, das war alles, was er gemacht hat. Wer nicht lügen kann, wissentlich und willentlich, wie sollte der lernen, die Wahrheit zu sagen, merkt Nietzsche an. Wer nur die Wahrheit in jedem Teil-des-Ganzen erkennt, dem steht in jedem dieser Teile sofort eine neue Lüge auf, wissentlich und willentlich, und das alles ist immer Schrift. Und die Elterndämonen haben Schleef da hineingeprügelt, bis er nicht mehr wusste (auch die Über-Ich-Eltern DDR, die einfach alles bestimmt haben, was man zu sagen, zu glauben, zu denken hätte, dieses Über-Ich hat kein Ich gebraucht und kein Es geduldet, nur sich selbst, und daher hat Schleef alles, wirklich alles, indem es vor ihm verschwunden war, neu geschaffen, neu schaffen müssen), was wahr war und was nicht. Macht nichts (das wäre mein Stück gewesen, das er als letztes noch inszenieren sollte und mit dem er nicht mehr fertig geworden ist, weil er selber fertig war), es ist wahr, was er gesagt hat. Was sagt der jüngere Sohn zur Mutter, die er sich neu erschafft, noch bevor sie wieder in die Erde muß und er hinterher, um sie auch dort zu beobachten? «Die Schlüpfer aus! Hinten das Hemd hoch, auch dreckig, siehst du» und die Mutter: «Nackicht, du schämst dich vor nichts, sauber, selbstverständlich sauber!» Und der jüngere Sohn: «Richtig ausziehen, auch das Hemd, hast 3 Schlüpfer übereinander.» Mutter: «Mir ist kalt.» Entsetzen Entsetzen Entsetzen. Es könnte keiner das hinschreiben als der, der es auch geschaffen hat, der in einem ungeheuren Willensakt diesen Mutterdämon, der ja vielmehr ihn geboren hat, wieder umdreht und jetzt selber schafft, wenn auch nicht neu. Das ist es. Das Geschaffene wird nie als neu geschaffen, es ist immer alt und neu gleichzeitig. Das ging natürlich erst, als die Mutter schon fast tot war. Vorher lassen die Mütter das nicht zu, und die Väter verschwinden auch irgendwann einmal. Den Vater hat er nie mehr erreicht, ich glaube, das hätte er den Rest seines Lebens versucht, den Vater zu erreichen. Freud sagt, die Wissenschaft sei eben die vollkommenste Lossagung vom Lustprinzip, die unserer psychischen Arbeit möglich sei. Schleef ist Liebesleben mit den Dämonen, und zwar immer mit Mutter und Vater. Mama Dämon und Papa Dämon. Dieses Perpetuum Mobile ist von etwas angetrieben, das man nicht sieht, nur in seinen Auswirkungen sieht, den Mutter- und Vaterkräften, die den Künstler in die Welt hinausgeschmissen haben, damit er eine Million Welten selber schafft, indem er millionenmal den Boden berührt hat, und aus jedem dieser Teilchen, die nie zu Liebesobjekten im Freudschen Sinn werden konnten, ist Schrift, ist Arbeit geworden. Einar Gott, der seine Arbeit herzeigt, aber nicht seine Ergebnisse, denn die Ergebnisse sind ja die Arbeit. Es ist dieselbe Rückverwandlung, der auch die Dunkelheit unterliegt, wenn der Künstler aus der dünnen Richt-, nein Lichtschnur diese Unmenge von Welten erschafft. Schleef ist eine Art Freudianischer Beweis, dass das im Unbewussten wirksame Unersetzliche sich häufig durch die Auflösung in eine unendliche Reihe kundgibt, unendlich darum, weil jedes dieser Surrogate (und was ist Kunst anderes als ein Surrogat fürs Leben?) doch immer die erstrebte Befriedigung vermissen lassen muss. Erklärt sich so die unstillbare nein, nicht Fragelust von Kindern (wie bei Freud), sondern dieser Schaffenswahnsinn Schleefs? Dass er die einzige Frage nicht über die Lippen bringt, die er stellen musste: Wieso lebe ich überhaupt? Wie konnten diese riesenhaften Elterngeschöpfe mich auf die Welt: bringen, keine Ahnung, wie denn nur, wie? Die Saurier sind doch seit Jahrmillionen ausgestorben. Wieso ist das alles da, wie kann ich den Druck dieses Geheimnisses, dass es mich überhaupt gibt, aushalten? Indem es mich zur Mitteilung drängt, wie und wann und was alles geschieht und geschehen ist. Indem Schleef es, was da geschehen ist, aller Versuchung zum Trotz, wie Freud sagt, doch nicht verrät, gerade indem er es verrät. Indem er nichts anderes tun kann, als es zu verraten, indem er nichts für sich behält, und er tut es, ohne dass er Verrat begeht. Das ist seine Liebe, die ich in allem sehe, was er gemacht hat, auch wenn es etwas Entsetzliches ist. Die Liebe ist ja immer das Entsetzlichste. Er musste es einfach machen, auch wenn er gewusst hat, dass es ihn zerstören wird, weil ja alles alles zerstören muss, das Gemachte das Ungemachte wie das Ungemachte das Gemachte. Seine Mutter hätte jetzt das Bett gemacht, und Einar hätte es wieder auseinandergerissen, weil da noch ein paar Kuchenbrösel sind, vom Lesen gestern abend, beim Schein der Taschenlampe, und er hätte 6 Schlüpfer aus dem Bett gezogen an Stelle der Brösel, ohne die Anmut des Zauberers, der herausholt, was je schon da war, aus doppelten Böden und mit Spiegeln oder wasweißich, und er hätte zur Mutter, seiner Schöpferin, jetzt selbst ein Schöpfer, über die Schlüpfer gesagt: Zuhause lässt du das Eingeweichte im Eimer verfaulen. Von den 6 Schlüpfern, die ich dir gekauft, bevor du nach Braunschweig, sind 2 nicht verschimmelt. Und die Mutter hätte gesagt: Lüge, du lügst wenn du das Maul aufmachst. Verfaule. Mir nie Schlüpfer gekauft, du? Guck rein, guck richtig rein und kontrolliere. Was grinsste? Bekackt, ich, ich bekacke mich nicht. Dreckig, dann sag mir das, hol meine Brille.

So, wir lassen jetzt die figürliche Ausdrucksweise fallen, für uns ist sie nicht Quelle der Erregung, sie ist Quelle des nackichten Grauens. Wir schauen nicht, wohin sie fällt, die Quelle, aber es kommt dafür unaufhörlich etwas heraus, es rinnt, ich weiß nicht was es ist, um Gottes willen, ich weiß es nicht, ich kann es nicht sehen, ich kann es nicht deuten, ich weiß nichts. Ich weiß immerhin, dass alles eine Störung haben kann, die Nahrungsaufnahme, die Nahrungsausscheidung, die End-Ausscheidung der Fußballweltmeisterschaft (das ist sicher das absolute Ende!), die Vorausscheidung der Tennismeisterschaft von Wimbledon, ach was, ach wie, ach warum, egal. Die Zonen, ja, auch die ehemalige Ostzone, die Zonen sind alle schwer gestört, wir erregen uns, indem wir uns auf das geliebte Objekt konzentrieren, aber was wir Erregung nennen ist nichts. Es kommt nichts heraus. Schleef hat auf den Weg direkt eingewirkt, auf dem etwas daherkommt, egal was, er hat es benannt, egal, ob der Name richtig war oder falsch. Er hat den Weg benannt, der vielleicht nur ein sehr schmaler Lichtstreifen war und nur an wenigen Tagesstunden überhaupt etwas durchdringen konnte. Die meisten von uns hätten ihn achtlos auf den Boden fallen lassen, bis er endlich ganz ausgeht, der Lichtstreifen, wenn die Nacht einfällt. Wenn es der Nacht einfällt. Dann wären sie selber ausgegangen und hätten etwas Nettes unternommen, die meisten von uns. Den Einar Schleef hat nichts dämpfen können. Er hat alles erhellt, indem er sich, wie gesagt, selbst als Verdunkelung vorgeschoben hat. Bei uns dient Gesundheit einer wichtigen Leistung: dem Leben. Bei ihm hat die Gesundheit nicht länger dienen wollen, er hat ja ohnehin alles besser gemacht, was braucht man da noch eine Gesundheit. Krankheit kann das genauso gut erledigen. Daher wird Schleef auch niemals erledigt sein.

Über die Autorin

Elfriede Jelinek ist Schriftstellerin und Dramatikerin. Sie lebt in Wien und München.

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