Grußwort lesen
Sehr Frau Direktorin Bohnenkamp-Renken,
Sehr geehrte Frau Stadträtin,
liebe Doktor Ines Hartwig,
Sehr geehrte Frau Direktorin Franzen,
Sehr geehrte Frau Direktorin Meyer.
Sehr geehrte Frau Lepp.
Meine Damen und Herren.
Liebe Freunde.
Ich freue mich, Sie im Namen der Kulturstiftung des Bundes begrüßen zu dürfen.
Es ist eine große Freude, diese Ausstellung hier im Deutschen Romantik-Museum mit Ihnen allen eröffnen zu dürfen. Und am besten ist, wir nennen das Senckenberg-Museum und das Museum Sinclair hier gleich mit:
Denn dies ist ein Ausstellungsprojekt im Plural.
Ein Projekt, das im allerbesten Sinne nicht „aus einem Guss“ entstanden ist, sondern vielmehr eine „assemblage“ oder ein – ich zitiere – „Gefüge“ bildet.
Das ist der Topos, den die amerikanische Anthropologin Anna Lowenhaupt Tsing in ihrem Buch „Der Pilz am Ende der Welt“ für das ko-evolutionäre Zusammenwirken menschlicher und mehr-als menschlicher Akteure verwendet.
Die Kuratorin Nicola Lepp versteht „Gefüge“ vor allem auch als Metapher für dieses Ausstellungsprojekt:
Nichts steht für sich allein.
Alles ist polyphonisch miteinander verbunden:
Die Poesie, die Botanik, die Literatur- und Forstwissenschaft, die Bio-Akustik, die visuellen Künste, die Waldpädagogik [, nicht zu vergessen die ökologische Protestforschung samt ihrem Faible für Baumhäuser und andere Formen waldigen Widerstands…]
Und natürlich (das sagt sich in heute Abend so leicht), „natürlich“ bildet diese Ausstellung den eindrucksvoller Beleg für die [interdisziplinäre] Neugierde, das [gesellschaftspolitische] Verantwortungsgefühl, die engagierte Beobachtung und vermutlich auch die großzügige Gelassenheit, mit der sich gleich drei benachbarte, überaus diverse Kultureinrichtungen auf eine gemeinsame Projekt- und Forschungsreise begeben haben:
Liebe Teamkolleginnen und -kollegen aus dem Museum Sinclair Haus, dem Senckenberg-Museum und dem Deutschen Romantik-Museum:
Haben Sie herzlichen Dank, dass Sie in den vergangenen Jahren als eine echte Institutionen-Allianz den Weg zu den Wäldern angetreten sind.
Und dass Sie erfolgreich zurückgekehrt sind, um ganz erstaunliche Erkenntnisse mit uns zu teilen, die unsere Wahrnehmung von Wäldern auf den Kopf stellen werden.
Denn wer hier eintritt, lässt am besten alle Vorstellungen fahren, auf die wir Wälder allzu häufig reduzieren: auf Plantagen zur Extraktion von Nutzholz; auf klischeebehaftete Schauplätze von Märchen, Sagen und Legenden; auf nationale Leitbild-Lieferanten mit „stolzen deutschen Eichen.“
Es geht bei den Wäldern um mehr.
Es geht um ein neues Wissen und ein neues Wahrnehmen von Wäldern.
Zum Beispiel lernen wir, genauer hinzuhören.
Auf all das, „was Pflanzen uns zu flüstern haben“ – etwa in ökoakustischen Sensibilisierungs-Übungen, die vermitteln, dass Erbsengewächse in der Lage sind, sich nach dem Geräusch von fließendem Wasser zu richten.
Pflanzen können hören.
So hat es eine Forschungsgruppe aus Tel Aviv herausbekommen. Und so ergibt die akustische Magie ganz neuen Sinn, mit der E.T.A. Hoffmann in der Erzählung „Das fremde Kind“ einen Wildbach zu Wort lässt – ich zitiere: – „Kommt setzt Euch fein ins Moos und hört mir zu!“…
„…dunkelstreifiger Scheidling
…Schwefelkopf
…Becherling
…Schopf-Tintling…“
Das Märchen/die Idee vom Kommunikationsvermögen alles Lebendigen findet seinen Widerhall auch unter waldbewohnenden Wesen, die wir meist nur oberflächlich wahrnehmen.
Gemeint sind Pilze. Die soeben genannten zählen allesamt dazu.
Wie wichtig dieser Blick in den Boden ist, zeigt schon das zentrale Ausstellungsmotiv, das sie auf dem Katalog [und auf Postern in der ganzen Stadt] finden.
Keine Spur von „Oh Wälder weit, oh Höhen“!
Stattdessen sehen wir Wurzelstränge und Fäden in ergiebigen Verflechtungen und komplexen Gefügen.
Die Perspektive dieses Projekts ist terrestrisch-tiefgründig.
Aber nicht an poetischer Verdunkelung oder „gaia-genialischem Raunen“ ist es der Ausstellung gelegen.
Es geht um Aufklärung im besten – wenn ich so sagen darf - im romantisch geschärften Sinne:
Voller Erkenntnislust und pädagogischer Energie, die der Rationalismus ausgeprägt hat.
Zugleich voller Bereitschaft zu innovativer „Empfindsamkeit“ und einer Reflexivität der eigenen Beobachterposition, die immer wieder zu fragen bereit ist, was die Instrumente aktueller Wissensproduktion hervorbringen.
Und vor allem: Wo die Grenzen unseres Wissens liegen.
In Wirklichkeit liegen sie kaum eine Handbreit unter der Erdoberfläche.
Alexander von Humboldt hat 1802 den Chimborazo vermessen. Und morgen will die Menschheit auf den Mars.
Wenn wir heute – wie es der Untertitel dieser Ausstellung treffend fasst – „Von der Romantik in die Zukunft“ unterwegs sind, dann ist es allerhöchste Zeit, auf dieser Passage auch den Kosmos unter unseren Füßen neu in den Blick zu nehmen.
Pilze weisen uns den Weg.
Und erneut auch Anna Lowenhaupt Tsing [diese grandiose anthropologische Querdenkerin], die uns im Katalog zu dieser Ausstellung in eindrücklicher Weise vom Drama der Störungs-Ökologie erzählt.
Das mag apokalyptisch klingen…„Störungs-Ökologie“...
Aber dahinter liegt eine Geschichte voller Möglichkeiten.
Und mit ihr möchte ich gerne meinen Gruß beenden.
Mit der Geschichte von Braunkohlehalden, die industrielle Extraktions-Ökonomien in der Landschaft hinterlassen haben und die im Laufe einiger Jahrzehnte zuallererst von einem Innovations-Gespann – der Kiefer und dem Kahlen Krempling – bewachsen werden.
Allen anthropogenen Störungen zum Trotz wächst dieser Wald, weil Baum und Pilz ein subterranes Pionier-Duo bilden, das neuen ökologische Gemeinschaften den Weg bereitet.
Diese artenübergreifende Ko-Produktion ist eine glückliche Fügung.
Nicht weil sie einen billigen Trost spendet, dass irgendetwas sicher weiterwächst, wenn menschliche Zivilisation diesen Planeten ruiniert haben wird.
Sondern weil wir in den ökologischen Störungs-Lagen, die uns überall auf und unter der Erde begegnen, Ausschau halten und forschen müssen, welche symbiosefähigen Arten bereit sind, selbst in ruinösen Umwelten das Abenteuer des Lebensneu zu erkunden und fortzuschreiben.
Es tut gut zu wissen, dass die Kiefer und der Kahle Krempling bei diesem Abenteuer an unserer Seite sind.
Und es tut gut zu wissen, dass mit dem Museum Sinclair, dem Senckenberg Museum und dem Deutschen Romantik-Museum gleich drei Museen bereit sind, uns einzuladen, Natur- und Geisteswissenschaften, Forschung und Vermittlung, Poesie und Politik in ganz neuen Konstellationen erfahrbar zu machen.
Im Namen der Kulturstiftung des Bundes danke ich allen Künstlerinnen, Forschern, Förderern, Vermittlerinnen, Kuratorinnen und den interdisziplinären Teams aller beteiligten Häuser und Organisationen für das vielfältige Gelingen dieser Ausstellung.
Ich wünsche Ihnen allen viel Erfolg in den kommenden Monaten.
Und uns wünsche ich einen wunderbaren weiteren Eröffnungsabend.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.