Eröffnungsrede: DOMiDLabs

Handle with Care – Eine Ausstellung über Erzählungen, Gefühle und Perspektiven aus der Migrationsgesellschaft

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DOMiDLabs

“DOMiDLabs” war ein Projekt des Dokumentationszentrums und Museums über die Migration in Deutschland (DOMiD). Es wurde von der Kulturstiftung des Bundes als Groß- und Langzeitprojekt von 2021 bis 2024 gefördert. “Handle with Care” war die vierte und letzte Ausstellung. Ab 2029 wird das Museum unter dem Namen “Selma” die Geschichte der Migration in Deutschland ausstellen.

Köln, 10. Oktober 2024

Ort: Galerie GOLD + BETON
Rednerin: Katarzyna Wielga-Skolimowska

– Es gilt das gesprochene Wort –

Rede zur Eröffnung der DomidLabs

Es ist sehr schön hier zu sein.

Ich freue mich sehr, Sie im Namen der Kulturstiftung des Bundes zur Eröffnung dieses DOMiD-Labs mit dem Titel „Handle with Care“ begrüßen zu dürfen. Für mich ist dies eine Premiere: Das erste Lab, das ich als Künstlerische Direktorin eröffnen darf. Für die Kulturstiftung des Bundes ist es ein weiterer Meilenstein einer Partnerschaft, die auch eng mit meiner Vorgängerin Hortensia Völckers verbunden ist und mehr als zwanzig Jahre zurückreicht. 

Es gibt kaum ein Vorhaben, das die Arbeit der Kulturstiftung des Bundes so stark geprägt hat, wie das „Projekt Migration“ in den Jahren 2002 bis 2005. Das „Projekt Migration“ war wie ein Kompass für uns. Wegen seines klaren Bekenntnisses zu Deutschland als einem Einwanderungsland. Wegen der Offenheit für Experimente auch beim Zusammenwirken von zeitgenössischer Kunst und wissenschaftlicher Forschung. [Ohne DOMiD hätte es die damalige Kooperation mit dem Kölner Kunstverein und der Frankfurter Goethe-Universität nie gegeben.]

Und vor allem, weil wir im Fall von DOMiD schon vor zwanzig Jahren begreifen konnten, wie weit ein Projekt kommen kann, das bottom up und mit voller Kraft aus der Zivilgesellschaft schöpft: Aus dem Protest gegen die Indifferenz der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Und aus der emanzipatorischen Energie, der Geschichte der Migration nach Deutschland ein kulturpolitisches Profil und den Geschichten der Migrantinnen und Migranten einen Ort zu geben. 

Aus Sicht der Kulturstiftung des Bundes war DOMiD schon vor zwanzig Jahren ein großer Glücksfall. Man könnte meinen, dieses Glück ist eher größer geworden – heute, wo alle Zeichen auf Anfang stehen und wo alle hier im DOMiD-Team weiter auf Kurs halten dürfen auf die Realisierung eines Migrationsmuseums in Köln-Kalk. Der nächste große Schritt! Dafür wünsche ich Ihnen im Namen aller Kolleginnen und Kollegen der Kulturstiftung des Bundes viel Ausdauer und ein herzlich gutes Gelingen! Und dafür danke ich an dieser Stelle der Stadt Köln insbesondere, liebe Frau Ministerin, dem Land NRW für die Entscheidung, eine neue Institution zu gründen und dauerhaft zu finanzieren. Das ist wichtiges Zeichen für kulturpolitische Weitsicht in einem modernen Einwanderungsland! 

Aus Bundessicht kann ich Ihnen allen versichern, dass die DOMiD-Labs und diese Museumsgründung in ganz Deutschland aufmerksam verfolgt wird. Die DOMiD-Labs treffen einen Nerv. Die Museen müssen umbauen. Alle stehen vor der Herausforderung [oder sagen wir lieber: „Sie haben jetzt die Chance…“] , mit ihren Sammlungen, ihrem Programm und ihrer Vermittlungsarbeit auf eine Gesellschaft zu reagieren, die schon lange von kultureller Vielfalt und Diversität geprägt ist. 

Wie Partizipation gelingen kann, haben die DOMiD-Labs ausprobiert. Nicht nur für Sonderausstellungen, auch für die Neu-Erfindung einer Dauerausstellung lohnt es sich, die weiten Wege zu gehen und sich Zeit zu nehmen, um einen Stab lokaler Multiplikatoren aufzubauen und mit diesem intensiv in die Netzwerk-Arbeit mit lokalen Partnerinnen und Partnern zu gehen. Es lohnt sich, Haltung zu zeigen und zum Beispiel auch die eigene Offenheit und Ratlosigkeit in eine Sammlungspräsentation hineinzutragen und zu markieren: Hier ist eine Lücke. Hier wissen wir nicht Bescheid. Hier öffnet sich möglicherweise dann der Raum, den wir einer bislang nicht-repräsentierten Gruppe anbieten wollen, um ihrer eigenen Geschichte Ausdruck zu verleihen. 

Und es lohnt das Verantwortungsgefühl und die Sensibilität dafür aufzubringen, dass es Sammlungsobjekte mit schwieriger Herkunft und potenziell traumatisierender Wirkung gibt. Das betrifft zum Beispiel die Tatort-Spuren aus der Keupstraße und die vielen innenpolitischen Fragen, die sich mit der Mordserie des NSU weiterhin verbinden. „Ein Nagel ist nicht einfach ein Nagel ist nicht einfach ein Nagel.“ Zu den vielfältigen Assoziationen, die sich mit Dingen verbinden, zählen auch die Gefühle, die sie auslösen können: Wiedersehensfreude und Stolz ebenso wie Ohnmacht oder Schmerz. 

Handle with Care. So lautet der Imperativ. Versuche stets, ein gastliches Museum zu sein und den Bedürfnissen Deines Publikums mit Respekt und mit „Wärme“ zu begegnen. Handle with Care. Es ist bei all dem Vorsicht geboten. Bei der Sammlungspräsentation. Aber auch auf einer gesellschaftspolitischen Ebene. Seit über drei Jahrzehnten macht sich das Team von DOMiD bereits für die Gründung einer neuen Institution stark. Aber noch nie schien ein Migrationsmuseum in Deutschland so überfällig zu sein wie heute. 

Viel zu stark ist die Debatte um die Einwanderungsgesellschaft in den vergangenen Jahren von einer Rhetorik der Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit geprägt worden. Der politische Diskurs kippt ins Extreme. Dabei spielt das Abkupfern fremdenfeindlicher Problemnarrative am Ende vor allem den rechtsextremen Parteien in die Karten. Wir brauchen also dringend eine pluralistische Gegenöffentlichkeit. Wir brauchen Beiträge zur Entdramatisierung der Debatte. An symbolischen Orten wie diesem, an denen die historische Selbstverständlichkeit von Migration offenkundig zu Tage tritt. 

Wir brauchen nicht nur endlich ein Migrationsmuseum in Köln-Kalk, wir brauchen überall in Deutschland Kultureinrichtungen, die den Chancenreichtum der Einwanderung feiern – Kultureinrichtungen, die „Orte gelebter Pluralität“ sind und die damit offen sind für den kulturellen Reichtum und die Fülle an Geschichten, die aus den Migrationen nach Deutschland bereits erwachsen sind – und die weiter aus ihr erwachsen werden. In diesem Sinne freuen wir uns bereits jetzt auf den weiteren Prozess der Museumsgründung und jetzt vor allem auf die Eröffnung der DOMiD-Labs-Ausstellung „Handle with Care“. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und viele gute Gespräche.