Die interdisziplinäre und unabhängige Fachjury der „Allgemeinen Projektförderung“ hat in ihrer letzten Sitzung neue Projekte aus verschiedenen künstlerischen Sparten ausgewählt. Auf dieser Grundlage hat der Vorstand der Kulturstiftung des Bundes nun über Förderungen bis zu 250.000 Euro entschieden. Diese ermöglichen es Institutionen, große, innovative Projekte im internationalen Kontext umzusetzen.
Die Jury tagt zweimal im Jahr und gibt anschließend ihre Empfehlungen zur Förderung ab. Über Summen ab 250.000 Euro entscheidet auf dieser Basis der Stiftungsrat der Kulturstiftung des Bundes. Jährlich können in der „Allgemeinen Projektförderung“ bis zu 9 Millionen Euro vergeben werden. Die Gesamtzahl und -summe aller geförderten Projekte werden im Anschluss an die Sitzung des Stiftungsrats Mitte Juli veröffentlicht.
Auswahl der 45. Jurysitzung
(bis 250.000 Euro,
chronologisch nach Aufführungsdatum sortiert)
ÁGUA: Wasserpoetiken und Wasserpolitiken: Das Projekt „Água“ lädt Schriftstellerinnen, Wissenschaftler und Aktivisten aus Brasilien, Deutschland und Österreich ein, sich mit dem Thema Wasser in Literatur und Theater auseinanderzusetzen. In vier öffentlichen Foren, die von Sommer 2024 bis Sommer 2025 hybrid stattfinden, werden der Umgang mit und der Zugang zu Wasser im Angesicht von Klimawandel und geopolitischen Kämpfen diskutiert. Die Debatten werden von einem künstlerisch breit gefächerten und kollaborativen Schreibprozess begleitet, der im Herbst 2025 in einer Performance im Literaturforum Brecht-Haus in Berlin mündet. Das Projekt wird mit 87.600 Euro gefördert.
Lucinda Childs Company, Four New Works: Lucinda Childs hat die Tanzgeschichte maßgeblich geprägt. Am 7. August 2024 wird sie die ersten neuen Arbeiten der Lucinda Childs Dance Company seit fast zehn Jahren beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel in Hamburg präsentieren. Die vier Uraufführungen bringen deren postmodernen Stil mit anderen künstlerischen Positionen zusammen: Neben einer Choreografie zu einer Live-Komposition ihres langjährigen Wegbegleiters Philipp Glass entwickelt Childs ein Quartett zur Musik von Johann-Sebastian Bach, ein Solo zu einer Videoarbeit und ein Ensemble-Stück zu einem Originalwerk der (Film-)Komponistin Hildur Guðnadóttir. Die Tanzproduktion wird im August 2024 weitere Male in Hamburg aufgeführt und mit 126.800 Euro gefördert.
9 Points Of View – Schreiben auf Sicht: Die Kreativwerkstatt der Stadt Aschersleben ist von September 2024 bis Dezember 2025 Initiatorin und Gastgeberin eines Europäischen Literaturprojekts mit den neun Nachbarstaaten Deutschlands. Neun Autorinnen und Autoren sind als Stadtschreiberinnen nach Aschersleben eingeladen. Begegnungen mit bildenden Künstlern aus dem mitteldeutschen Raum, Gespräche und Lesungen finden u.a. in Aschersleben, Magdeburg, Leipzig, Halle, Erfurt, Berlin und Dresden statt. Gefördert wird das Literaturprojekt mit 93.500 Euro.
AFTERLIVES (AT): Das Theaterkollektiv Henrike Iglesias und die thailändische Künstlerin und Performerin Miss Oats untersuchen in ihrem gemeinsamen Theaterprojekt den Umgang mit Tod, Trauer und Verlust in verschiedenen kulturellen Kontexten. Sie erforschen, wie ein utopisches „Afterlife“ aussehen könnte, das unabhängig von religiösen und politischen Einflüssen ist. Die Performance wird vom 17. bis 29. September 2024 gleichzeitig in Bangkok und in den Sophiensaelen Berlin aufgeführt, wobei das Publikum per Smartphone interagieren kann, sodass die parallelen Inszenierungen miteinander verbunden werden. Die Kulturstiftung fördert das Vorhaben mit 225.000 Euro.
Mutuogenesis: Über die Dauer von einem Jahr arbeitet der Verein S27 mit dem Berliner Kunstgewerbemuseum, mit internationalen Künstlern, Designerinnen, Aktivisten sowie jungen Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung zusammen. Das als „soziale Skulptur“ angelegte Projekt „Mutuogenesis“ stellt die angewandte und kollaborative Kunstpraxis in den Mittelpunkt und will zu einer Neubewertung von Kunsthandwerk und Design beitragen. Im Verlauf des Projekts soll eine Ausstellung mit co-laborativen Baustellen, Vorträgen, Happenings und Performances entstehen, erste Aufführungen sind am 25. und 26. Oktober 2024 in Berlin zu sehen. Das Projekt wird mit 124.800 Euro gefördert.
Adrian Piper: Wie kaum eine andere hat die zeitgenössische Künstlerin und Philosophin Adrian Piper in den vergangenen 50 Jahren dazu beigetragen, Themen wie Gender und Race in der Konzeptkunst und im Minimalismus einzuführen. Die Bedingungen für das Schaffen, aber auch für das Rezipieren von Kunst hinterfragt sie seit jeher in ihren künstlerischen Arbeiten. Der Portikus in Frankfurt am Main präsentiert vom 16. November 2024 bis zum 9. Februar 2025 zwei Rauminstallationen, die sowohl ihr künstlerisches als auch ihr philosophisches Forschen widerspiegeln. Die Einzelausstellung wird mit 60.000 Euro gefördert.
Ever Given: Im März 2021 lief das Containerschiff „Ever Given“ im Suezkanal auf Grund und blockierte sechs Tage lang den globalen Güterverkehr. Im gleichnamigen Projekt wollen Rimini Protokoll, Helgard Haug und die Komponistin Barbara Morgenstern Kipp-Punkte wie diesen ins Theater übertragen: Was passiert, wenn ein Mensch, ein System, einfach nicht mehr weitermacht? Plötzlicher Stillstand, und gleichzeitig die Chance, etwas Neues zu beginnen. Nach der Premiere am 13. Dezember 2024 im Volkstheater Wien sind weitere Aufführungen vom 25. Januar bis 3. März 2025 am HAU Berlin und vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2025 am Theater Magdeburg geplant. Das Vorhaben wird mit 122.000 Euro gefördert.
Glitzer! (AT): Glitzer verzaubert und begeistert, irritiert und provoziert – im Alltag, in der Kunst und auf der Bühne, aber auch im politischen Aktivismus. Mit der großangelegten Ausstellung „Glitzer!“ will das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe der gesellschaftlichen Relevanz von Glitzer nachgehen. Dafür bringt das Museum vom 28. Februarbis 12. Oktober 2025 zahlreiche Arbeiten zeitgenössischer Künstlerinnen und Designer mit Objekten der Alltags-, Pop- und Protestkultur zusammen. Das Projekt wird mit 208.200 Euro gefördert.
Trees, Time, Architecture!: Was das „Bauen auf Bäumen“ für Umwelt, Klima und Gesellschaft bedeutet, beleuchtet das Architekturmuseum der TU München. Im Fokus der Ausstellung steht das Spannungsverhältnis zwischen Bäumen als sich verändernden Organismen mit langer Lebenszeit und dem beschleunigten Wandel kultureller und technologischer Entwicklungen. Die zeitlich-räumliche Dimension von Bäumen wird ästhetisch erlebbar gemacht und mit Workshops und einem Symposium reflektiert. „Trees, Time, Architecture!“ wird von März bis September 2025 zu sehen sein und mit 248.600 Euro gefördert.
Park McArthur: Das Museum Abteiberg in Mönchengladbach plant gemeinsam mit dem mumok – Museum moderner Kunst Sammlung Ludwig, Wien eine große Einzelausstellung der US-amerikanischen Künstlerin Park McArthur (*1984). In ihren Arbeiten setzt sich die Künstlerin, bedingt durch ihr Leben mit dem Rollstuhl, mit neuen Perspektiven und existenziellen Abhängigkeiten auseinander. Sie nimmt dabei Bezug auf die Minimal und Conceptual Art der letzten sechzig Jahre. Im Museum Abteiberg soll ihr Werk in den Dialog mit der bestehenden Sammlung gebracht werden, die einen Schwerpunkt auf Kunst aus den 1960er und 70er Jahren legt. Ein von McArthur entwickeltes Modell der medial erzeugten Anwesenheit der Künstlerin – ohne physisch anwesend zu sein – wird im Rahmen eines Vermittlungsprogramms durch Studierende erprobt. Die Ausstellung ist vom 13. März bis 28. September 2025 zu sehen und wird mit 100.000 Euro gefördert.
Techno-ecologies and bodies of memory: environment as a battleground: Die Ausstellung von Kuratorin Marianna Liosi für den Kunstraum Kreuzberg – Bethanien präsentiert ab April 2025 in Berlin künstlerische Praktiken der Aktivierung versehrter Räume und der Störung als Akt der Dekolonisierung und des Widerstands. Zugleich erforscht sie Möglichkeiten der Wiederaneignung und der Selbstheilung von Ökosystemen, unabhängig von und trotz menschlichen Handelns. Für September 2025 ist ein Diskursprogramm in Tunis (Tunesien) geplant. Die Ausstellung wird mit 80.100 Euro gefördert.
Was hinter uns liegt – liegt gemeinsam vor uns, Tanz durch das Schweigen: In dieser Theaterproduktion setzen sich Künstlerinnen aus Deutschland und Israel mit der Geschichte des Displaced Persons-Camps nahe dem KZ Bergen-Belsen auseinander. Von 1945 bis 1950 war das Camp Heimat für bis zu 12.000 jüdische Bewohnerinnen, von denen viele nach Israel auswanderten. Die autobiografischen Romane der jüdischen Autorin Lizzie Doron bilden den Ausgangspunkt für die Entwicklung einer über mehrere Generationen reichenden Geschichte. Die Aufführungen finden anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung des KZ Bergen-Belsen vom 11. April bis 25. Mai 2025 in Celle sowie zwischen 30. Juni und 7. Juli 2025 in Israel statt und werden mit 227.600 Euro gefördert.
Die Performative Buchmesse: Mit der Performativen Buchmesse initiiert Kampnagel vom 14. bis 18. Mai 2025 eine alternative Buchmesse, die gängige Formate, kapitalistische Verkaufslogiken und den herausgehobenen Stellenwert des Literaturkanons hinterfragt. Barrierefreie Lesungen mit Gesprächen finden bereits vom 13. Januar bis 30. Juni 2025 statt. Im Fokus der Messe stehen marginalisierte Positionen von Literatinnen, Poeten und Wissensproduzentinnen ebenso wie gesellschaftliche Ausschlüsse, faire Arbeitsbedingungen und Förderstrukturen. Thema der Performativen Buchmesse 2025 ist das Übersetzenvon einer Sprache, einer Wahrnehmung, in die andere. Dabei soll ein besonderes Augenmerk auf gebärdensprachliche Literatur und Zugänglichkeit gelegt werden. Das Projekt wird mit 115.000 Euro gefördert.
sich unverfügbar verknoten: Das Ausstellungsprojekt „sich unverfügbar verknoten“ der neuen Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK) lädt internationale Künstlerinnen und Künstler ein, sich in erzählerisch-poetischen Beiträgen und einer Webserie mit der Wirkmacht von Eigentum auseinanderzusetzen und institutionell geschützte Eigentumsformen durch juristische Analyse herauszufordern. Das Projekt wird mit 80.000 Euro unterstützt und ist vom 28. Juni bis 29. August 2025 in Berlin zu sehen.
SITUATIONS: Listening to Spaces, Konzertinstallationen bei den Darmstädter Ferienkursen 2025: Gemeinsam mit Kurator Carsten Seiffarth widmen sich die Darmstädter Ferienkurse der raumbezogenen Musik. Es entstehen vier Uraufführungen und zwei Interpretationen historischer Stücke der Avantgarde an der Schnittstelle von Konzert, Installation und Performance. Die Performances und Workshops finden vom 20. Juli bis 2. August2025 an verschiedenen Orten in Darmstadt statt. Das Vorhaben wird mit 249.000 Euro gefördert.
Longing To Tell: Im Projekt „Longing To Tell“ entwickeln die Hiphop-Künstlerin Akua Naru, der Komponist und Schlagzeuger Tyshawn Sorey und das Ensemble Resonanz eine gemeinsame Performance, die vom 14. bis 16. August 2025 beim Internationalen Sommerfestival Kampnagel aufgeführt wird. Rap und Spoken-Work-Poetry treffen auf Kammerorchester und Vokalensemble. Die Künstlerinnen und Musiker aus Hiphop, Jazz und Klassik hinterfragen in ihrer einjährigen Zusammenarbeit, wie sich die weiß-männliche Vorherrschaft in die musikalische Praxis eingeschrieben hat. Ausgangspunkt ist das Buch „Longing to Tell: Black Women Talk About Sexuality and Intimacy“, in dem die US-amerikanische Soziologin Tricia Rose Gespräche mit Schwarzen Frauen über Liebe, Bindung und Gewalt gesammelt hat. Das Vorhaben wird mit 180.000 Euro gefördert.
Land Lines: Schlaglichter auf Kunst und Kultur abseits großer Städte wirft das Center for Literature – Burg Hülshoff mit dem künstlerischen Labor „Land Lines“. Was sind aktuell zeitgemäße Kulturangebote in ländlichen Räumen? Und wie wird hier künstlerische und kulturelle Arbeit etwa durch lokale Infrastrukturen und globale Herausforderungen wie dem Klimawandel beeinflusst? „Land Lines“ lädt Künstler, Wissenschaftlerinnen, Kulturschaffende und Bürger ein zu einem internationalen Kongress vom 29. bis 31. August 2025 und einem Festival am 7. und 8. März 2026. Das Projekt wird mit 200.000 Euro gefördert.
Voices of Arca, Black Writers Book Festival: Im Juni 2024 fand bereits das „Voices of Arca - Black Writers Book Festival“ in der neu gegründeten Fasiathek statt, einer Präsenzbibliothek aus Schwarzer Perspektive in Hamburg. Schwarze Autorinnen, die sowohl vom afrikanischen Kontinent, als auch aus dem afrodiasporischen Europa und aus dem deutschsprachigen Raum kommen, waren eingeladen, eigene Erzählungen, positive Perspektiven, Identitäten, Probleme und Herausforderungen in verschiedensten Literaturformaten und Genres zu präsentieren. Das Projekt wurde mit 50.800 Euro gefördert.