Projektionen auf den Osten

Ausstellungen im Neuen Berliner Kunstverein und im Schinkel Pavillon in Berlin

Projektionen auf den Osten

Zahlreiche Künstlerinnen und Künstler beschäftigen sich gegenwärtig mit der Frage, wie kollektive Vorstellungen „des Ostens“ entstanden sind und welche – oft historisch verwurzelten – Klischees damit verbunden sind. Wo fängt „der Osten“ an? Wo hört „der Osten“ auf? Welche Rolle spielt dieses imaginäre Konstrukt als ein ideologisches, ästhetisches und kulturelles Gegenbild zum Westen?

„Projektionen auf den Osten“ wird diesen Fragen in historischen und zeitgenössischen künstlerischen Arbeiten nachgehen und die Rolle der Kunst bei der Fortschreibung dieser Stereotype kritisch untersuchen. Das Projekt besteht aus zwei Ausstellungen im Neuen Berliner Kunstverein und im Schinkel Pavillon in Berlin, die ab Herbst 2026 mehr als zwanzig künstlerische Positionen zusammenbringen werden.

Die Ausstellungen bringen Künstlerinnen und Künstler aus der Ukraine, der Republik Moldau, Rumänien und Deutschland zusammen und zeigen, welche kulturellen Chiffren heute die Wahrnehmung des östlichen Europa und das Bild von Ostdeutschland im Besonderen prägen. Auch verbreitete Klischees in Bezug auf „Ostdeutschland“ sollen in diesem Zusammenhang genauer befragt werden: Die Vorstellung beispielsweise, die DDR-Nachkriegsgeschichte sei von Beginn an durch einen erfolgreichen Bruch mit der NS-Vergangenheit geprägt gewesen oder der Bezug auf einen „antifaschistischen Internationalismus“ in der DDR.

Historische Positionen und künstlerische Forschung


Im Neuen Berliner Kunstverein werden voraussichtlich zwölf Neuproduktionen und zeitgenössische Positionen zu sehen sein. Dazu zählt zum Beispiel der nach aufwändigen historischen Recherchen 2023 entstandene Animationsfilm „The Lemberg Machine“ der ukrainischen Künstlerin Dana Kavelina (geb. 1995 in Melitopol, Ukraine). Das Werk widmet sich den antisemitischen Pogromen von Lviv im Juni und Juli 1941 sowie der Auslöschung der jüdischen Bevölkerung der Stadt im Zuge der anschließenden NS-Gewaltherrschaft. Der Schinkel Pavillon in Berlin wird das fotografische Werk von Helmar Lerski (1871-1956) zum ersten Mal seit den 1980er Jahren in einer Einzelausstellung präsentieren und kritisch in seiner Zeit verorten. Der Sohn einer polnisch-jüdischen Familie wurde in Straßburg geboren, wuchs in Zürich auf und kam nach einem längeren Aufenthalt in den USA in die Weimarer Republik, wo er sich vor allem als Porträtfotograf einen Namen machte.

Konzept und kuratorische Verantwortung 


Konzept und Idee für das Gesamtprojekt „Projektionen auf den Osten“ stammen von den Künstlern Fabian Bechtle und Leon Kahane. Sie tragen gemeinsam die kuratorische Gesamtverantwortung für das Vorhaben, das aus ihrer langjähriigen Beschäftigung mit der Aufarbeitungsgeschichte der DDR entstanden ist. Dass in der DDR jahrzehntelang weder der Raum noch die Sprache für die Bearbeitung von Antisemitismus und Rassismus existierten, ist eine der Grundthesen des Projekts.

Die Projektleitung und begleitende kuratorische Verantwortung für die Ausstellungen liegen bei Susanne Mierzwiak und Marius Babias (Neuer Berliner Kunstverein) sowie bei Nina Pohl (Schinkel Pavillon).

Begleitende Veranstaltungen und Publikation


Begleitend zu den Austellungen finden ab Herbst 2026 ein eintägiges, international besetztes Symposium unter dem geplanten Titel „Der kulturelle Osten“ sowie ergänzende Podiumsdiskussionen statt. In einer Publikation werden ausgewählte Inhalte des Kunst- wie des Diskursprogramms dokumentiert.
 

Fokus Osteuropa

Mit dem „Fokus Osteuropa“ verstärkt die Stiftung durch eine Reihe größerer Projekte den kulturellen Austausch zwischen deutschen und osteuropäischen Institutionen und Kulturakteuren. Ziel ist es, das gegenseitige Verständnis zu vertiefen und dauerhafte Arbeitsbeziehungen aufzubauen. Schließlich gibt es rund zwanzig Jahre nach der EU-Osterweiterung weiterhin viel von den Kunstszenen der Region zu lernen. Sie zeichnen sich aus durch große künstlerische Ausdruckskraft und eine bemerkenswerte Widerständigkeit, selbst angesichts politischer Umbrüche oder Angriffe auf die Kunstfreiheit. Neben diesem Projekt fördert die Kulturstiftung des Bundes auch die „Kyiv Biennale 2026“ und die „Osteuropareisen“. Bereits 2024 unterstützte sie mit der „Kyiv Perenniale“ und der Chemnitzer „Pochen Biennale“ zwei öffentlichkeitswirksame Foren für den Austausch zwischen osteuropäischen Kulturzentren, der hiesigen Exil-Szene und deutschen Kultureinrichtungen.