Ausführlicher Bericht von Manuel Harder
Ich liege am Boden. Es geht mir nicht so besonders. Weil Pause ist, habe ich mich da hingelegt, wo ich eben noch stand. Ich höre die Schritte der anderen. Und dann – tripp trapp tripp trapp! – setzt sich Antigone zu mir, öffnet ihre Brotdose, fängt an zu essen. Und dann – tripp trapp tripp trapp! – kommt Ismene dazu, kuschelt sich an ihre Schwester. Und dann - tripp trapp tripp trapp! – setzt sich auch der Bote zu unserer stummen Gruppe. Wortlos nimmt er meinen kleinen Finger, wiegt ihn hin und her, bewegt ihn, spielt mit ihm. Von außen geben wir womöglich ein seltsames Bild ab, ein merkwürdiges Stillleben am Boden. Etwas Wohltuenderes hätte ich mir in dem Moment nicht wünschen können. Ich wäre auch gar nicht erst auf die Idee gekommen.
Diese Szene aus den Proben zu „Antigone“ habe ich immer wieder erzählt, wenn ich gefragt wurde, wie denn die Arbeit „so war“ mit dem RambaZamba. „Mit den Kolleginnen und Kol- legen“, betonte ich dann meistens. Obwohl mir diese Betonung gleich wieder peinlich war, weil selbstverständlich. Oder eben doch nicht. Überhaupt nicht selbstverständlich war diese besondere Form der Aufmerksamkeit. Der liebevollen, humorvollen, phantasiereichen Anwesenheit. Dadurch entstand das Gefühl von etwas sehr Wichtigem, das da stattfindet, unverstellt da ist, ohne viel Aufhebens. Selbstverständlich halt! Jeder weiß mehr oder weniger, was der Spielprozess für Begegnungen ermöglicht. Beim Proben im Stadttheater verliert man manchmal diese tatsächlichen Begegnungen aus dem Blick: Timings und Texte müssen stimmen, Szenen hergestellt und verabredet werden, und nicht selten stehen einem Fremd- und Selbstbilder, Egoismen und Eitelkeiten sowohl zur Verfügung als auch im Weg.
Dies alles schien in unseren gemeinsamen Proben – nein, nicht weg, nicht verschwunden – aber verändert, anders gewichtet zu sein. Die Begegnung wurde wichtiger als das Erfüllen, das Abwarten reicher als der Ablauf, das Wahrnehmen bewusster als das Abliefern, das Ringen und Versuchen beredter als das Ziel, das Herausfordern liebevoller, direkter, stärker, wacher als die Verabredung. Und zwar ohne, dass es Konzept war. Selbstverständlich eben. Das eigene Spiel wurde anders als gewohnt beantwortet. Und zu anderen eigenen Antworten gebracht.