CALL CUTTA
Sobald das Mobiltelefon in deiner Hand klingelt, beginnt das interkontinentale Theaterstück: Es meldet sich eine Stimme mit indischem Akzent, noch ist sie fremd, bald wird sie zu deinem Verbündeten. "Siehst du vor dir das rote Haus? Geh darauf zu, bück dich als würdest du die Schuhe binden, dann kannst du unauffällig ins Kellerfenster schauen. Sind die Vorhänge offen? Was tut die Angestellte am Schreibtisch?... Dann geh jetzt schnell weiter zur Tür..." Schritt für Schritt führt das Gespräch durch die Sozialbaulandschaft Kreuzberg West. Wort für Wort wird die Stadt zu einem Film, dessen "Kamera" ein telefonierender Spaziergänger ist. Der Ton changiert zwischen Service Line, GPS Navigation, Blind Date, Beichte und indischer Gesprächskunst: live, 1:1. So wie Tausende von deutschen Arbeitsplätzen sind auch die Performer von CALL CUTTA outgesourced. Sie sitzen 15.000 km und viereinhalb Stunden Zeitverschiebung östlich, im Infinity Tower, Nordostkalkutta, Westbengalen, Indien. Sie wissen über Berlin genau so viel wie andere Call-Center-Angestellte über ihre transatlantischen Kunden. Sie folgen einem Skript, das nach vielen Seiten offen ist. Kann eine Stadt mit einer Gebrauchsanweisung überschrieben werden?
Gläserne Call-Center-Türme schießen im Nordosten der Stadt wie Pilze aus dem Boden und versuchen, zum "Shining India" von Bollywood und Techno-Bangalore aufzuschließen. Dem westlichen Bild von Kalkutta als chaotischem Schandfleck steht hier die wachsende Zahl Hunderttausender blank gewienerter Telearbeitsplätze, in denen junge Akademiker mit antrainiertem amerikanischen Akzent telefonisch Reiseangebote oder Software nach Kalifornien verkaufen. Die Kinder vom Infinity Tower werden mittlerweile selbst von ihren Familienangehörigen mit englischen Vornamen angesprochen, damit sie in der Freizeit nicht aus der Rolle fallen. "Call Cutta" erforscht, was passiert, wenn die transatlantische Unterhaltung weder dem Verkauf, noch der Computerassistenz dient, sondern der Verführung durch den eigenen städtischen Dschungel.
Künstler/innen: Helgard Haug, Stefan Kaegi, Daniel Wetzel (Rimini Protokoll)
Film / Dokumentation: Anjan Dutt
Veranstaltungsorte: Berlin, Kalkutta
Veranstaltungstermine: Kalkutta 26.02.-30.04, Berlin: 02.04.-26.6.
In englischer Sprache. Deutsch auf Anfrage.
Bitte persönlichen Termin unter Telefon 25900427 buchen und Lichtbildausweis
als Pfand mitbringen. Start von 15.30 - 19.30 Uhr im HAU 2 Café.
In Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Kalkutta (externer Link, öffnet neues Fenster).
Kontakt
Rimini Protokoll
Gutzkow Straße 3
10827 Berlin