König Lustik!?

Jérôme Bonaparte und der Modellstaat Königreich Westphalen

Die Kulturstiftung des Bundes wird zukünftig kulturhistorischen Ausstellungen im internationalen Kontext ein größeres Gewicht bei ihren Förderungen verleihen. Die nachfolgend beschriebene Ausstellung liefert einen exemplarischen Ausblick.

Das Königreich Westphalen lässt sich in der Perspektive des Ausstellungskonzepts der Museumslandschaft Hessen Kassel (ehemals: Staatliche Museen Kassel) als ein Vorläufer der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland betrachten:

Im Zuge der französischen Expansionspolitik, die sich nach 1804 auch auf die rechtsrheinischen deutschen Länder ausweitete, errichtete Napoleon per Edikt neue, Frankreich gegenüber loyale Staatengebilde. Zu diesem Zweck wurde 1807 auch das Königreich Westphalen gegründet und Napoleons jüngster Bruder Jérôme Bonaparte inthronisiert. Das Königreich Westphalen war ein napoleonischer Modellstaat mit einem modernen Justiz- und Verwaltungsapparat, in dem sich die Errungenschaften der französischen Revolution bewähren sollten. Das Königreich Westphalen, das sich wenig später nach der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 wieder auflöste, erhielt die erste geschriebene Verfassung eines deutschen Landes. In der Haupt- und Residenzstadt Kassel tagte das erste gewählte Parlament auf deutschem Boden.

Die von Frankreich ausgehenden Modernisierungsbestrebungen bezogen sich nicht nur auf die Politik, sondern auch auf die Kultur: Von Kassel aus verbreitete sich - gleichsam als "Corporate Design" des neuen Staates - der "Style Empire" in ganz Norddeutschland. In seiner Verkörperung von Ordnung und Vernunft ging dieser Repräsentationsstil mit der Staatsform des Frühkonstitutionalismus einher. Das Königreich Westphalen lag gleichsam quer zu den sich nach 1800 herausbildenden Nationalstaaten. Es basierte auf der Interaktion zwischen zwei großen europäischen Sprach- und Kulturkreisen.

Zentralfigur der Ausstellung war der als "König Lustik" geschmähte französische Monarch, der das deutsche Vorurteil vom leichtlebigen Franzosen bestätigte. Die Ausstellung versuchte einen anderen Blick auf Jérômes vermeintliche Verschwendungssucht und interpretierte sie als Legitimationsbemühung eines Herrschers ohne dynastische Vergangenheit. Bedeutende Kulturleistungen in Musik und Theater, Architektur und Kunsthandwerk sind seiner kurzen Regierungszeit zu verdanken. Gleichzeitig erlitten jedoch die landgräflichen Sammlungen in Kassel schwere Verluste, da sich Napoleon bemühte, die europäischen Kunstschätze im Louvre zu konzentrieren.

Die kulturhistorische Ausstellung untersuchte zum ersten Mal die Licht- und Schattenseiten dieses historisch einzigartigen Modellstaates auf deutschem Gebiet und bereitete sie für ein breites, überregionales Publikum auf. Mit etwa 750 Objekten gewährte sie einen umfassenden Einblick in die facettenreiche Geschichte des Königreichs Westphalen. Die Ausstellung zeigte die wichtigsten der noch heute identifizierbaren, damals nach Paris verbrachten Meisterwerke erstmals wieder in Kassel und konnte ebenfalls mit Genehmigung der Eremitage in St. Petersburg den dorthin gelangten Tageszeiten-Zyklus von Claude Lorrain präsentieren.

Kontakt

Museumslandschaft Hessen Kassel

Schloß Wilhelmshöhe

34131 Kassel