Unendlicher Spaß - 24 Stunden durch den utopischen Westen

Ein Performance-Projekt nach dem Roman von David Foster Wallace

Als Abschlussprojekt der Intendanz von Matthias Lilienthal inszenierte das Hebbel am Ufer in Berlin im Sommer 2012 das Ausnahmewerk Unendlicher Spaß von David Foster Wallace (1962 – 2008). Der amerikanische Bestsellerautor zeichnet darin das zeitgenössische Porträt einer von Leistungsträumen und Versagensneurosen strapazierten Gesellschaft, die in ihrem Überlebenswillen durch tiefe Depression und grenzenlose Erschöpfung geschwächt ist. Ein Text, der eine Gesellschaft im Zustand kontinuierlicher Überforderung darstellt und dessen Komplexität zugleich auch seine Leser an ihre Grenzen führt. Das Projekt erforschte das ganze Ausmaß dieser Diagnose einer „Müdigkeitsgesellschaft“ und entwarf ein hyperrealistisches Stadtraumprojekt, das 24 Stunden lang an acht verschiedenen Spielorten in Berlin die uramerikanischen Ostküsten-Szenarien an die Spree transformierte. Regisseure, Choreografen und Performer des HAU, die sich bereits mit (sub-)urbanen Strukturen und der Frage nach dem Kontrollverlust des Individuums gegenüber der Stadt auseinandergesetzt haben, waren eingeladen, dort einzelne Sequenzen in der Erzählrhythmik des Romans zu inszenieren. Die Besucher wurden per Bus, S-Bahn oder Schiff entlang der Stadtränder zu verschiedenen Schauplätzen gefahren. Sie begaben sich auf eine Reise durch das Erzähllabyrinth des Romans, die sie unter anderem mit einer Nervenheilanstalt, den Anonymen Alkoholikern, ödem Brachland, depressiven Vorgartenstimmungen und Berlins Großstadtutopien konfrontierte. Nicht im kulturellen und sozialen Zentrum Berlins oder in der geschützten Zone der Theaters, sondern in der städtischen Peripherie sollte die Vision von Foster Wallace auf ihre Relevanz in Deutschland überprüft werden. Die Reise führte an Orte, wo Langeweile grassiert und Depression wohnt, wo sich also innerhalb der Stadt „gesellschaftliche Ermüdung“ zeigt. Mit der gewollt überfordernden Anlage und der einzigartigen Verknüpfung von Theater, Performance Art und Literatur lotete das Projekt die Grenzen des Möglichen im Theater und für die Besucher aus.

Künstlerische Leitung: Matthias Lilienthal, Regie: Toshiki Okada (JP), Philippe Quesne (FR), Jeremy Wade (USA), Anna Sophie Mahler, Harmony Korine (USA), Anna Viebrock u.a.
Veranstaltungsorte und -zeitraum: Berlin, verschiedene Orte, Sommer 2012

Kontakt

Hebbel am Ufer

Stresemannstraße 29

10963 Berlin

www.hebbel-am-ufer.de (externer Link, öffnet neues Fenster)