Unter Menschenfresser Leuthen

Postkoloniale Perspektiven zeitgenössischen Theaters aus Brasilien und Deutschland

Was kennzeichnet heute - nach fast 500 Jahren Kolonialgeschichte - das Verhältnis zwischen Europäern und Lateinamerikanern? Sind Ausbeutung und Abhängigkeit überwunden oder lebt der reiche Kontinent auf der nördlichen Halbkugel immer noch auf Kosten des ärmeren in der südlichen Hemisphäre? Anhand dieser Leitfragen untersuchte das aus vier Teilen bestehende Theaterprojekt Unter Menschenfresser Leuthen, welche Vorbehalte, Komplexe und Tabus in den postkolonialen Gesellschaften auf beiden Kontinenten fortleben. Kuratiert wurde das Theaterprojekt, an dem deutsche und brasilianische Theatermacher beteiligt waren, von dem deutschen Dramaturgen Matthias Pees in Kooperation mit dem Brasilianer Ricardo Muniz Fernandes.

Dimiter Gotscheff erarbeitete mit brasilianischen Autoren und Schauspielern ein Stück in brasilianischer Sprache, das Geschichten von der Eroberung des lateinamerikanischen Kontinents und vom Verlorengehen der Europäer im Hinterland des tropischen Regenwaldes erzählt. Nach einer Spielserie in São Paulo wurde Rio da dúvida / Fluss des Zweifels am Thalia Theater in Hamburg aufgeführt.

Tilmann Köhler inszenierte mit Schauspielern des Berliner Gorki-Theaters und der brasilianischen Straßentheatergruppe Tablado de Arruar eine zweisprachige Aktualisierung der Argonautensagen: In Pele de ouro / Haut aus Gold schrieb Tine Rahel Völcker eine brasilianische Neufassung der Medea, der brasilianische Dramatiker Alexandre Dal Farra schickte seine deutschen Argonauten nach Brasilien. Brasilianer und Deutsche wechselten die Perspektive, der eine schlüpfte in die Haut des anderen. Das Stück wurde in São Paulo und Berlin aufgeführt.

Boca do inferno / Des Teufels große Klappe konfrontiert den kolonialismuskritischen Barockdichter Gregório de Matos mit der bahianischen Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts: Wie wäre dessen heutige Sicht auf seine Heimatstadt Salvador, die zugleich Kulturmetropole und sozialer Brennpunkt ist? Die Berliner Puppentheatergruppe Das Helmi führte das Stück in Zusammenarbeit mit bahianischen Schauspielern in Brasilien und Deutschland auf.

Das deutsche Performancekollektiv andcompany&Co. traf in São Paulo lokale Theatergruppen, die mit ihren Lehrstückinszenierungen auf südamerikanische Lebensrealitäten reagieren. Gemeinsam entstand die Produktion FatzerBraz, die in São Paulo, Berlin, Münster, Düsseldorf und weiteren Städten aufgeführt wurde.

Künstlerische Leitung: Matthias Pees
Dramaturgische Mitarbeit: Ricardo Muniz Fernandes (BR)
Regie: Dimiter Gotscheff, Tilmann Köhler, Florian Loycke, Nicola Nord/Alexander Karschnia
Autoren: Tina Rahel Völcker, Alexandre del Farra (BR) u.a.
Beteiligte Künstler/innen: Das Helmi, andcompany&Co., Centro de Pesquisa Teatral / Antunes Filho (BR), Grupo Tablado de Arruar (BR) u.a.

Veranstaltungsorte:
Hebbel am Ufer Berlin, Kampnagel Hamburg, Forum Freies Theater Düsseldorf, Ringlokschuppen Mühlheim/Ruhr, Ballhaus Ost Berlin, Servigo Social do Comércio de São Paulo (BR), Festival Internacional de Artes Cênicas in Salvador de Bahia.

FatzerBraz nach Bertolt Brecht & Co.

Weitere Informationen zur Produktion FatzerBraz finden Sie auf der Website des Theaters Hebbel am Ufer / HAU 3.

Zur Website des HAU 3 (externer Link, öffnet neues Fenster)

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