360°-Akademie 2020: Session I

Reise ins Innere: Diversitätsprozesse in Kultureinrichtungen

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Einleitung

Kunst und Kultur sind per se divers – so das Denken vieler. Auch jener, welche die Kulturszene mitbestimmen und gestalten. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Theater, Bibliotheken oder Museen handelt. Doch schaut man genauer hin, zeigt sich schnell: Vielfalt in den Häusern sowie im Publikum sieht man kaum, obwohl der Blick auf die bundesdeutsche Gesellschaft etwas anderes zeigt. Eine Tatsache, mit der sich die Kultureinrichtungen auseinandersetzen müssen, wenn sie sich zukunftsfähig aufstellen und ein diverses Publikum erreichen wollen. Wer sich näher mit dem Thema beschäftigt, stellt schnell fest: Diversitätsprozesse sind komplex und vielfältig. In der Regel eröffnen sich zahlreiche Fragen. Reicht es, wenn das Team vielfältig ist? Wie müssen die Angebote aussehen, damit sie das Interesse diverser Zielgruppen mit ebenfalls diversen Hintergründen wecken? Und: Ab wann ist eine kulturelle Einrichtung eigentlich divers?

Impulsvorträge

Anschließende Diskussion

Im Anschluss an die Impulse tauschten sich die Vortragenden in einer Diskussion aus, bei der auch die anderen Werkstattteilnehmenden via Chat Fragen stellen konnten.

Diversitätsprozesse sind wie Achterbahnfahrten

Als Expertin für Veränderungsprozesse und Organisationsentwicklung weiß Claudia Neusüß: Diversität ist mehr als Change-Management. Der große und entscheidende Unterschied liegt vor allem darin, dass die am Diversitätsprozess Beteiligten persönlicher berührt werden als bei sonstigen Veränderungen, die in Organisationen vorgenommen werden. Es geht hier immer auch um die eigenen persönlichen Fragestellungen und Sichtweisen, mit denen sich die Akteure auseinandersetzen. Es könne deshalb viel Emotionalität mit im Spiel sein, die wiederum auch die Quelle für Widerstand ist. Daher muss nach der Change-Expertin Claudia Neusüß ein Diversitätsprozess ganzheitlich gedacht und angegangen werden. Besonders wichtig sei dabei, dass die Führungsebene der Einrichtung den Prozess wirklich will, unterstützt, fördert und fordert.

Rollenverteilung und Zielvorgaben müssen klar sein

Dieser Ansicht ist auch Christoph Emminghaus, der mit seiner Firma Syspons die Fortschritte des 360°-Programms evaluiert und begleitet. Das Gelingen von Diversitätsprozessen ist maßgeblich von der Hausleitung abhängig und nicht von Diversitätsmanager oder -agentin allein. Die „Abgabe von Macht“ ist dabei ebenso entscheidend wie die Zielformulierung. Wenn nicht klar ist, welche Richtung ein Haus einschlagen will, dann „wird nichts passieren“, so Emminghaus. Daher sind Rollenverteilung und Zielvorgaben die ersten Hürden, die in den Kultureinrichtungen oder Institutionen genommen werden müssen.

Radikal und konsequent mit Veto-Recht

Diese Hürden ist Danilo Vetter von der Stadtbibliothek Berlin-Pankow als erstes angegangen. Der Fachbereichsleiter der Institution hat seiner Diversitätsagentin von Anfang an ein Veto-Recht eingeräumt, somit ihre Rolle gestärkt und seine wiederum geschwächt. Für ihn war es als weißer, heterosexueller Mann, der sich selbst als „privilegiert“ sieht, eine „Frage von Verteilen von Macht und die Frage des Teilens von Ressourcen“ sowie eine „Frage der Perspektivenvielfalt“. So zu arbeiten sei zwar nicht immer reibungslos, bereite ihm aber Freude. Auch Vetter muss sich kritischen Fragen stellen, was für ihn aber letztlich „gewinnbringend“ sei. Bei den Veränderungsprozessen orientiert er sich an dem Konzept „Konzept "Diversitätsorientierte Organisationsentwicklung" (PDF, 667 KB) (externer Link, öffnet neues Fenster) vom RAA Berlin (externer Link, öffnet neues Fenster).

Vertrauen und Netzwerken

Attila Bihari, Diversitätsagent im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz, hält einen weiteren Aspekt für notwendig, der zum Gelingen von diversitätsorientierter Öffnung beiträgt: Vertrauen in und ein Austausch mit Migrantenorganisationen. Positiv sei, wenn Gruppen in die Institutionen mit hineinwirken können, sie zum Beispiel als Expertinnen angefragt werden bei der Gestaltung von Theaterstücken oder Ausstellungen. Wenn das geschehe, könne auch ein Wandel gelingen.

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