Jean Paul. Dintenuniversum

Schreiben ist Wirklichkeit

Dintenuniversum

Anlässlich des 250. Geburtstages von Jean Paul fand 2013 die erste große Einzelausstellung statt, die das Œuvre des deutschen Dichters umfänglich präsentierte. Die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz und die Jean Paul Edition der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften realisierten die Schau in Kooperation mit der Stiftung Brandenburger Tor im MaxLiebermann Haus. Neben der Förderung durch die Kulturstiftung wurde die Ausstellung auch durch Mittel der Stiftung Joseph Breitbach unterstützt. Die Veranstalter kooperierten zudem mit dem Literaturhaus Berlin und dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach, dessen Ausstellung „Zettelkästen. Maschinen der Phantasie“ (4.3.-15.9.2013) mit einem Exkurs in Berlin vertreten war.

Jean Paul (1763-1825) gehört als Erzähler und Philosoph zu den Größten der deutschen Literatur. Und er war in vielerlei Hinsicht der erste moderne Dichter Deutschlands: Das Erzählen ging ihm über die Erzählung, die Abschweifungen waren ihm wichtiger als die Geschichte, seine Streckverse oder Polymeter sind eine Frühform des Prosagedichts. Politisch war er ein radikaler Gegner der Fürstenherrschaft ebenso wie der französischen Revolutionsdespotie; und zugleich glaubte er nicht an die Möglichkeit, die Welt eindeutig und abschließend erklären zu können. Seine Erziehungslehre wirkte auf die Pädagogik ein, seine Ästhetik suchte einen Weg abseits von Klassikern und Romantikern. Schiller sah Jean Paul wie einen, der „aus dem Mond gefallen“ war. Als sich die deutsche Literatur im 19. Jahrhundert an der Weimarer Klassik ausrichtete, fiel der Einzelgänger aus dem Kanon. Erst von den modernen Autoren wurde er nach 1900 für seine unerhörte Sprache wieder gelesen.

Jean Paul war überzeugt, dass man die Wirklichkeit nicht beschreiben, nur, dass man sie erschreiben, im Schreiben erst erfinden könne. Er schuf sich seine eigene Literaturwelt, sein eigenes Universum aus Tinte, sein ‚Dintenuniversum‘. 40.000 Seiten dieses nachgelassenen Universums liegen in der Berliner Staatsbibliothek. Mit einer erstmals gezeigten repräsentativen Auswahl daraus zeigte die Ausstellung Jean Paul als Dichter und Philosophen, als Literatur- und Medienstar (mit den Geschenken der Königin Luise), vergegenwärtigte ihn in Bild (erstmals waren alle wichtigen Jean Paul-Bildnisse an einem Ort versammelt) und Handschrift, veranschaulichte sein Verhältnis zur bewegten Geschichte und gab Vorstellungen von den Automaten und Apparaturen, die ihn faszinierten. Sie porträtierte ihn und sein Zeitalter in Büsten, Gemälden, Zeichnungen, Stichen, Originaldrucken und Karten. Und sie rückte Jean Paul als Leser ins Licht, der besessen das Gelesene festhielt und das Festgehaltene ordnete und eine Ordnung für die Ordnung entwickelte. Unter Mitwirkung des Deutschen Literaturarchivs in Marbach zeigte die Ausstellung neben den Zettelkästen Jean Pauls einige Zettelkästen des 20. Jahrhunderts, Maschinen der Phantasie u.a. von Eckhard Henscheid, Peter Rühmkorf und Arno Schmidt. In die Moderne führte auch der Epilog der Ausstellung, der Jean Pauls deutsche und europäische Nachwirkung verfolgte.

Ziel des Projekts war es, Werk und Dichter aus Perspektive der heutigen Wissenschaft und Literatur neu zu erschließen und seine besondere Stellung als Wegbereiter der europäischen Moderne sichtbar zu machen. Begleitet wurde die Schau durch Schülerlabore und eine Lehrerfortbildung. Ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Vorträgen, Gesprächen und Lesungen von nationalen und internationalen Wissenschaftler/innen und renommierten Autor/innen befasste sich in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, in der Staatsbibliothek zu Berlin, im Max Liebermann Haus und im Literarturhaus in der Fasanenstraße mit Jean Paul und seiner Rezeptionsgeschichte bis in die Moderne.

Zur Ausstellung erschien der Katalog "Jean Paul. Dintenuniversum", herausgegeben von Markus Bernauer, Angela Steinsiek und Jutta Weber.

Wissenschaftliche Leitung: Markus Bernauer, Jutta Weber
Kuratorin: Angela Steinsiek
Künstler/innen und Wissenschaftler/innen: Julia Cloot, Elisabeth Décultot (F), Bernhard Fischer, Jens Malte Fischer, Christian Helmreich (F), Reinhard Jirgl, Navid Kermani, Michael Krüger, Uli Lechtleitner, Thomas Lehr, Norbert Miller, Helmuth Mojem, Alain Montandon (F), Cornelia Ortlieb, Albert Ostermeier, Ernst Osterkamp, Jörg Paulus, Karl Pestalozzi (CH), Helmut Pfotenhauer, Friedhelm Ptok, Monika Rinck, Uwe Schweikert, Ralf Simon (CH), Peter Sprengel, Maike G. Werner, Michael Will, Christof Wingertszahn u.a.

Veranstaltungsflyer zum Download

Weitere Informationen zur Ausstellung, zu Öffnungszeiten, Führungen und Veranstaltungsorten finden Sie unter:

www.bbaw.de/forschung/jean_paul (externer Link, öffnet neues Fenster)

Konzert und Lesung "Flegeljahre und Papillons"

Die Veranstaltung "Flegeljahre und Papillons. Robert Schumann komponiert Jean Paul" am 21. März 2013 bildete den Auftakt zum Berliner Jean Paul-Jahr 2013, das im Herbst in der Ausstellung "Dintenuniversum" gipfeln wird. Konzert und Lesung waren eine Veranstaltung der Jean Paul Edition der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Staatsbibliothek zu Berlin.

 

Veranstaltungsflyer zum Download (PDF) (externer Link, öffnet neues Fenster)

Das Grußwort der Kulturstiftung

zur Ausstellung können Sie hier nachlesen:

Grußwort (PDF Download) (externer Link, öffnet neues Fenster)

Kontakt

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

Jean Paul Edition

Jägerstraße 22/23

10117 Berlin

www.bbaw.de/forschung/jean_paul (externer Link, öffnet neues Fenster)

 

Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Potsdamer Straße 33
10785 Berlin
www.staatsbibliothek-berlin.de (externer Link, öffnet neues Fenster)