Auf der Jahrespressekonferenz der Kulturstiftung des Bundes am 22. Februar 2017 blickte Verwaltungsdirektor Alexander Farenholtz nicht nur auf das vergangene Jahr zurück, sondern auch auf das 15jährige Jubiläum der Stiftung im März 2017 voraus. Im vergangenen Jahr, 2016, verabschiedete der Stiftungsrat knapp 80 Mio. Euro für Vorhaben, die den Projektträgern zum Teil bis ins Jahr 2024 Planungssicherheit verschaffen. 10 Mio. Euro davon entfielen auf 69 Projekte in der antragsoffenen Allgemeinen Projektförderung, mit der jedes Jahr bundesweit Projekte aus allen Sparten gefördert werden. Farenholtz erläuterte, wie sich die Erfolgsaussichten bei der Antragstellung im Laufe der Jahre erhöht haben und warum der Anteil der Finanzierung an den Projekten durch die Kulturstiftung ebenfalls gewachsen sei.
Die Künstlerische Direktorin Hortensia Völckers berichtete über Programme, die im vergangenen Jahr den Stiftungsrat passiert haben und nun in der Umsetzungsphase sind. Dazu gehörten aus Anlass des Beethovenjahres 2020 „#bebeethoven“, ein Fellowship-Programm für Musikschaffende in Kooperation mit dem Musikfestival PODIUM Esslingen, bei dem neue Verfahren in den Bereichen Komposition, Technik, Produktion, Aufführung, Vertrieb und Vermittlung von klassischer Musik erprobt werden sollen. Die „Neuen Auftraggeber“ hingegen unterstützen Bürgerinnen und Bürger in strukturschwachen Regionen dabei, Ideen für künstlerische Werke in ihrer Gegend zu entwickeln und sie mit Hilfe von Moderator/innen von renommierten Künstler/innen realisieren zu lassen. Vorbild dafür ist die erfolgreiche Initiative „Les Nouveaux Commanditaires“ in Frankreich. Die Kulturstiftung des Bundes fördere sehr bewusst auch die kulturelle Infrastruktur im ländlichen Raum, wie z.B. im TRAFO-Programm, da immerhin ca. 68% der Bevölkerung in Deutschland in ländlichen Regionen oder in Kleinstädten lebten. Was von außen betrachtet nach einem Spagat aussähe − die Förderung von bedeutsamen Kunstausstellungen wie der documenta einerseits sowie die Stärkung der kulturellen Infrastruktur z.B. einer Stadtbibliothek in Osterode über das TRAFO-Programm andererseits − seien die zwei nicht gegeneinander aufzurechnenden Seiten einer Medaille. Die Verantwortung des Bundes für die Kultur gilt ebenso der Spitzenförderung in den kulturellen Metropolen wie auch der Breitenförderung in der Fläche.
Einen hohen Stellenwert räumte Völckers auch dem Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft „360°“ ein, durch den die Diversität hinsichtlich Personal, Programm und Publikum in den Kulturinstitutionen verbessert werden soll, damit diese mit den demografischen Entwicklungen Schritt halten können. Erhalt und Stärkung der kulturellen Einrichtungen seien wichtiger denn je:
„So wichtig die Kulturellen Leuchttürme wie die documenta oder die Skulptur Projekte Münster für den international renommierten Kulturstandort Deutschland sind, so wenig dürfen wir uns nur in ihrem Fahrwasser bewegen und uns in Sicherheit wiegen. In diesen Zeiten wird einem umso mehr bewusst, dass die See drum herum rauer wird und es das kulturelle Festland, die Institutionen, mehr denn je zu beschützen gilt. Noch ist keineswegs Land unter, aber es könnte Unwiederbringliches wegbrechen, wenn wir nicht das Vertrauen in eine verlässliche, allen zugutekommende Infrastruktur gezielt stärken. Es ist ein Gebot der Stunde, Maßnahmen gegen Abschottung und ideologische Homogenisierung zu fördern, um einer diverser gewordenen Gesellschaft die Möglichkeit zu geben, Gemeinsamkeiten zu entdecken und zu entwickeln. Nicht die Herkunft ist entscheidend, sondern die Zukunft. Alles andere wäre Geschichtsblindheit.“
Frau Völckers kündigte für dieses Jahr die Weiterentwicklung eines bundesweiten Programmes für Stadtbibliotheken an, die eine immer wichtigere Funktion als öffentliche Räume für Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund und unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen bekämen. Außerdem gehe es um die Erweiterung des Programmes „Museum Global“, an dem bisher drei große Museen in Düsseldorf, Berlin und Frankfurt/M. beteiligt sind. Das Potenzial, die Sammlungen an großen Häusern in ihren außereuropäischen Bezügen zu untersuchen und zu präsentieren, sei bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Darüber hinaus gebe es derzeit Planungen zum Thema „Digitalisierung“.
Der direkt aus Athen eingetroffene Künstlerische Leiter Adam Szymczyk informierte über den aktuellen Stand der Vorbereitungen für die documenta 14, die am 8. April ihre Pforten in Athen öffnet, bevor sie an ihrem angestammten Ort in Kassel am 10. Juni ihre Fortsetzung in Deutschland findet. Szymczyk erklärte zur Rolle Athens in seinem Konzept: „Kunst hat ebenso viel mit physischer wie geistiger Erfahrung zu tun. Sie funktioniert nicht als abstrakte Demonstration von Umständen, die in jedwedem Kontext eingesetzt werden können. Die Entscheidung, die documenta 14 als ‚Theater und sein Double‘ (nach Antonin Artaud) in Athen und Kassel zu konzipieren und damit ihr geographisches und ideologisches Zentrum aus ihrer Heimat in Deutschland zu verlagern, ergab sich aus dem Gefühl, unbedingt in Echtzeit und ganz nah an der Wirklichkeit handeln zu müssen.“ Die Kulturstiftung des Bundes sicherte die Durchführung der aktuellen documenta mit 4,5 Mio. Euro.
Seit 1977 finden in Münster alle zehn Jahre die Skulptur Projekte statt, die neben der documenta (und der Biennale von Venedig) zu den großen internationalen Kunstereignissen des Sommers 2017 gehören. Die Eröffnung findet ebenfalls am 10. Juni statt. Ihr Künstlerischer Leiter Kasper König und die Kuratorin Britta Peters stellten der Öffentlichkeit erstmals die 35 Persönlichkeiten umfassende internationale Künstlerliste vor. Auf die Frage, ob sich Münster zur nunmehr fünften Ausgabe der Skulptur Projekte neu erfinden kann, antwortete die Kuratorin: „Anlässlich der fünften Ausgabe der Skulptur Projekte kann man sich vielleicht zu Recht fragen, ob in Münster in den letzten Jahrzehnten nicht jeder Stein schon einmal umgedreht wurde. Aber die Sorge ist unbegründet: Im Licht von 2017 sehen die Steine anders aus. Der Prozess der Ausstellungsentwicklung ist seit 1977 gleich geblieben, aber alles andere hat sich enorm verändert. Die Antworten der Künstler sind andere und: Sie provozieren neue Fragen.“ Die Kulturstiftung des Bundes beteiligte sich mit 1 Mio. Euro an den Skulptur Projekten.
Die Pressekonferenz wartete mit einem außergewöhnlichen musikalischen Erlebnis, einem Auftritt der deutsch-iranischen Komponistin und Musikerin Cymin Samawatie und ihrer Band, auf. Sie ist eine von zwölf Musikerinnen und Kuratorin im Förderprojekt „Female Voice of Iran“ (16. – 19. März 2017 in der Villa Elisabeth). Das Festival bietet die seltene Gelegenheit, weibliche Gesangskunst aus dem Iran zu hören. Die Begegnung mit anderen Künstler/innen, die Möglichkeit, mit ihnen gemeinsam künstlerisch zu arbeiten und auch öffentlich aufzutreten, sind für die Sängerinnen aus dem Iran eine große Unterstützung.