Die Demokratie ist ökologisch nicht unschuldig

Stephan Lessenich

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Ansprüche auf soziale Teilhabe werden im „Demokratozän“ über die Ankur­belung der ökonomisch-ökologischen Verwertungsmaschinerie, über eine noch intensivere Ausbeutung der natürlichen Ressourcen befriedigt. Der Soziologe Stephan Lessenich geht dem Dilemma zwischen Demokratie und Ökologie auf den Grund. Wie kann man sich einen Ausweg vorstellen, wollten wir wissen.

 

Zum Selbstverständnis moderner Gesell­schaften gehört, dass Demokratie als Regierungsform alternativlos ist. Sie nennen Demokratie einen „Hochwertbegriff“, mit dem sich auch jene schmücken, die sie aus­höhlen. „Gelenkte“ oder „illiberale“ Demokratie…, auf das Label demokratisch will niemand verzichten. Signalisiert diese Widersprüchlichkeit, dass die Demokratie mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – Klimawandel, Digitalisierung, Migration – an eine historische Grenze stößt? In Ihrem neuen Buch beschäftigen Sie sich mit den „Grenzen der Demokratie“. Zum ei­nen seien es welche, mit denen die Demokratie selbst operiere: Die Dynamik von Öffnung und Schließung gehört zu ihrer flexiblen Funktionslogik. Sie hat der Demokratie bis­her das Fortleben gesichert. Es scheint, als könnten wir uns darauf immer weniger verlassen.

Stephan Lessenich: „Grenzen der Demokratie“ ist eine doppelsinnige Wendung. Anders als es die Selbstbeschreibung der Demokratie suggeriert – „gleiches Recht für alle“ –, zieht sie doch immer wieder Grenzen. Mehr noch, ihr Berechtigungsversprechen lebt geradezu von seinen Grenzziehungen, also davon, dass eben kei­neswegs „alle“ die gleichen Rechte genießen. Das gilt am offensichtlichsten nach außen, also gegenüber all denjenigen, die keine Bür­gerinnen, keine anerkannten Mitglieder des politischen Gemeinwesens sind – die nach Europa Geflüchteten der letzten Jahre kön­nen ein Lied davon singen. Aber ebenso schon lange hier ansässige Nicht-Staatsbürger, de­nen das Recht auf demokratische Mitwirkung und politische Mitbestimmung wie selbstverständlich verwehrt wird. Dass die­ses Grenzregime seinerseits Grenzen hat, dass seine Effektivität und auch Legitimität im Schwinden begriffen sind, scheint mir offenkundig zu sein: In ethnisch und kulturell heterogenen Gemeinwesen sind die Grenzen demokratischer Grenzziehungen erreicht, ja überschritten. Und diese gesellschaftliche Heterogenität wird im Zeitalter der Migrati­on absehbar und unweigerlich weiter zuneh­men. Unter diesen Umständen werden die exklusiven Demokratien der westlichen Gesellschaften ihre äußeren Grenzen nur mehr durch offene Gewaltausübung, durch Polizei und Militär, ziehen können. Das aber trifft das demokratische Selbstverständnis ins Herz: Dass die Rechte der einen – und letztlich wenigen – scheinbar nur durch Entrechtung der anderen – der Vielen – zu gewähr­leisten sind.

 

Sie machen in Ihrem Buch eine bisher wenig diskutierte Bedrohung der Demokratie aus, eine, wie Sie sagen, „fundamentale“ Grenze. Der kürzlich verstorbene Bundesverfas­sungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde hat bereits 1964 ein fundamentales Dilem­ma der Demokratie identifiziert: „Der frei­heitliche, säkulare Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Es klingt wie ein aktuelles Palimp­sest dieses Satzes, wenn Sie feststellen, dass die gegenwärtigen Demokratien sich gegen die natürliche Umwelt einer sozialen Welt richten, „deren Existenz und Lebensfähig­keit von stofflichen Voraussetzungen ab­hängt, die sie selbst nicht garantieren kann, sondern von denen sie ganz im Gegenteil material und praktisch zehrt“. Ist das wirklich ein Dilemma der oder nicht vielmehr eines des Kapitalismus? Wenn er funktioniert, zerstört er seine Grundlagen, die Natur (und den Ar­beiter), würde er demokratisch begrenzt werden können, kann er nicht mehr funktionieren.

Die ökologischen Verwüstungen der Welt, deren Ausmaß uns – wenn überhaupt– erst ganz allmählich bewusst zu wer­den beginnt, sind nicht allein dem Kapitalismus zuzuschreiben. Zweifelsohne: Eine Produktionsweise, die von der ewigen Akkumulation von Wert lebt, von der neu­erlichen Steigerung der wirtschaftlichen Wertschöpfung in jeder neuen Periode; die selbst noch unter Bedingungen der Höchst­produktivität in der nächsten Runde eine weitere Schippe drauf legen muss – eine solche Produktionsweise liegt in der Tat an der Wurzel der hemmungslosen Aneig­nung, Ausbeutung und „Verwertung“ natürlicher Ressourcen. Es gibt daher gute Grün-de dafür, statt einigermaßen unverfäng­lich vom „Anthropozän“ zu reden, also vom „menschengemachten“ Gestaltwandel der Erde, die Dinge beim Namen zu nennen und vom „Kapitalozän“ nicht zu schweigen: Es ist der kapitalistische Akkumulations- und Profitabilitätszwang, der es seit nunmehr zwei Jahrhunderten notwendig macht, die Erde im wahrsten Sinne des Wortes zu ver­heizen. Allerdings ist das Wissen um diesen Zusammenhang beinahe schon Allgemein­gut – jedenfalls im Vergleich zu dem Un­wissen bzw. dem verbreiteten Nicht-Wissen-Wollen um die Rolle der Demokratie als Co-Produzentin der modernen Umweltzer­störung. Die Demokratie hat den Kapitalismus gezähmt – aber um den Preis, dass die Vernichtung der menschlichen Lebensgrundlagen auch noch eine allgemein akzep­tierte Rechtfertigung erhalten hat. Denn die materiellen Teilhaberechte, die sich breite Bevölkerungsmehrheiten in den westlichen Demokratien erstritten und erkämpft ha­ben, ruhen nun mal auf jenen ökonomisch wertschöpfenden – und ökologisch wert­vernichtenden – Potentialen der kapitalistischen Produktionsweise, deren Erträge mit dem Aufstieg des demokratischen Wohlfahrtsstaats wenigstens ansatzweise auch den Nicht-Besitzenden zugutegekom­men sind. Fatalerweise haben seither nicht mehr nur die Kapitaleigner, sondern auch die Lohnabhängigen ein Interesse an der Aufrechterhaltung eines ökonomischen Systems, das zwar die natürlichen Lebensgrundlagen ruiniert, andererseits aber eben so­ziale Teilhabeansprüche bedient. So gese­hen, könnte man von der welthistorischen Ära, in welcher der Mensch sich die Erde wahrhaft untertan gemacht hat, mit Fug und Recht auch als „Demokratozän“ spre­chen. Und die Widersprüche reichen noch weiter: Zwar war es auch die Demokratie, die über die neuen sozialen Bewegungen Umweltschutzinteressen politisch hat wirk­sam werden lassen, so dass man heute im Rhein wieder baden kann und der Him­mel über der Ruhr tatsächlich blau ist. Dies jedoch um den Preis einer, wie Ingolfur Blühdorn und andere es ausdrücken, systemischen Nicht-Nachhaltigkeit der westli­chen Produktions- und Lebensweise. Anderswo nämlich kann man (oder sollte man tunlichst) im örtlichen Rinnsal nicht ein­mal seine Kleider waschen, und den blauen Himmeln hierzulande korrespondieren die schwarzen Himmel in all jenen Metropolregionen der Welt, in die der Westen in den vergangenen Jahrzehnten seine schmutzi­ge Produktion ausgelagert hat. Wie man es also dreht und wendet: Die Demokratie ist ökologisch nicht unschuldig.

 

Es gibt Forderungen, auch der Natur (Was­ser, Erden, Luft, Flüssen, Bergen etc.) ana­log zu den Menschenrechten ein Recht auf Unversehrtheit zu verleihen, ihr „subjektive Rechte“ zur Wahrung ihrer „Würde“ einzu­räumen. Einige lateinamerikanische Staa­ten haben die Natur unter dem Namen Pacha Mama als Rechtssubjekt in ihren Ver­fassungen verankert. Das hat weitreichen­de Auswirkungen auf Freiheit und Selbst­bestimmung menschlicher Individuen, auf das gesamte Rechtssystem. Droht da ein „crash of civilization“?

Der „crash of civilization“ ist schon längst eingetreten. Oder anders: Die westli­che Zivilisation leidet nicht erst seit der Aufklärung und der durch sie geleisteten philosophischen Selbstrechtfertigung der Moderne unter einer strukturellen Selbstüberschätzung, einer schamlosen Selbstüberhöhung. Was hat sie uns nicht alles gebracht, die westliche Zivilisation – fast ist man ver­sucht, das entsprechende Brainstorming der judäischen Freiheitskämpfer in Das Leben des Brian, ihre den römischen Besatzern zu verdankenden Errungenschaften betreffend, zu wiederholen: Ja, von der Kanalisa­tion bis zum angstfreien nächtlichen Fla­nieren in der Großstadt, von ungeahnten persönlichen Handlungsspielräumen bis zu einem nie dagewesenen allgemeinen Le­bensstandard hat uns die westliche Zivilisation – die gute alte Kombination von „freedom and democracy“ – viel Gutes ge­bracht. Mit der Betonung auf: uns. Von An­fang an haben sich die Aufklärungsphilosophie und die westliche Zivilisation nämlich um all das, was ihnen minderwertig – weil unaufgeklärt und nichtwestlich – erschien, einen (mit Verlaub, verzeihen Sie die unfei­ne Wendung) feuchten Dreck geschert: Um „Schwarze“ und „Wilde“, um Frauen und die Natur. Um das Andere und die Anderen der männlich-weißen-westlichen Herrschafts- und Erfahrungswelt des vermeintlichen „Zivilisiert-Seins“ eben. Der Doyen der soziologischen Theorie des demokratischen Wohlfahrtsstaats, Thomas H. Marshall, zitiert unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg in seinem bahnbrechenden Text „Citizenship and social class“seinen Namensvetter, den Ökonomen Alfred Marshall, mit der zivilisa­torischen Utopie, dass es der modernen De­mokratie via Bildung und Sozialschutz gelingen möge „to enable every man to be a gentleman“. Man darf und muss davon ausgehen, dass diese programmatische Vision nicht nur ernst, sondern auch wörtlich ge­meint war: Die Welt – eine Welt der „gentlemen“, wie wir sie kennen. Beziehungs-weise wie wir selbst welche sind: Die Welt, geformt – in jedem Sinne: gebildet – nach unserem Ebenbild. Was die Anderen davon halten dürften, hat in einer kolportierten Wendung Mahatma Gandhi zum Ausdruck gebracht. „What do you think of Western civilization?“ soll er einmal von einem weißen Journalisten gefragt worden sein – seine überlieferte Antwort, ob nun historisch korrekt oder nur gut erfunden, bringt die Sa­che zeitlos auf den Punkt: „I think it would be a good idea.“

 

Sie plädieren für eine „Demokratisierung der Demokratie“ durch Solidarität auch unter Ungleichen. Sie bestünde in einer sozialen Entgrenzung (mehr Teilhabe) und einer ökologischen Begrenzung (weniger „Anteil“ an den natürlichen Ressourcen). Ein Dilemma, wie Sie selbst sagen, weil Emanzipationsbewegungen einerseits gestärkt und im Gegenzug beschnitten werden müssen. Wie umgehen mit der Tatsache, dass es die Demokratie in der Gegenwart mit gleich zwei Dilemmata zu tun hat, dem Böcken-förde-Dilemma und, nennen wir es hier: dem Lessenich-Dilemma?

In der Tat, wie man das Ding auch nen­nen mag: Die Demokratie der Gegenwart, oder genauer – weil die Demokratie selbst ja kein Subjekt und handelnder Akteur ist – die Bürgerinnen demokratischer Ge­meinwesen der Gegenwart befinden sich in einem veritablen Dilemma. Wollten sie die Demokratie sozial entgrenzen, also den ge­sellschaftlichen Berechtigungsraum öff­nen für bislang ausgeschlossene Gruppen, Milieus und Klassen, dann könnten sie dies – demokratiepolitisch korrekt – gerade nicht auf die Weise tun, wie in real existie­renden Demokratien zeitlebens mit Auswei­tungen der Berechtigungszone umgegan­gen worden ist: Nämlich derart, dass für die Erweiterung materieller Berechtigun­gen ein erweiterter Zugriff auf natürliche Ressourcen praktiziert wurde. Wir wollen zusätzliche Ansprüche auf soziale Teilha­be befriedigen? Na dann müssen wir eben die ökonomisch-ökologische Verwertungs­maschinerie eine Stufe höher drehen lassen. Das Problem ist, dass die moderne Demokra­tie durch und durch eine Output-Demokratie geworden ist: Entscheidend ist, was hinten rauskommt – mehr Wohlfahrt, mehr Kon­sum, Wohlstand für vermeintlich „alle“. Egal hingegen ist, was dafür vorne rein muss: Fossile Energie, stoffliche Ressourcen, natür­liche Senken? Alles doch im Überfluss vor­handen und billig zu haben! Persönliches Engagement, öffentliches Interesse, politi­sche Mitsprache? Viel zu anstrengend, zu aufwändig, zu sinnlos! „Demokratie“ ist zur Worthülse verkommen, zur Floskel in Sonntagsreden und zur Metapher für freie Fahrt für freie Bürger. All dies als Dilemma zu adressieren, hieße zunächst genau das: Es überhaupt zum Thema zu machen, zum Gegenstand öffentlich-sozialer Diskussion, Verwunderung und – vielleicht – Empörung. Das Dilemma aber auch politisch-prak­tisch anzugehen, käme wahrhaft einem Münchhausen-Akt gleich: Die Bürger des politischen Gemeinwesens müssten über­einkommen, die Gestaltung ihrer gesell­schaftlichen Lebensverhältnisse tatsäch­lich – und gemeinsam – in die eigene Hand nehmen zu wollen. Nach Lage der Dinge wird dies aber nur unter äußerstem ökonomisch-ökologischem Druck geschehen: Wenn nämlich unweigerlich klar wird, dass das bisherige Modell der Solange-das-Ergebnis-stimmt-soll-uns-egal-sein-wie-es-zustandekommt-Demokratie nicht län­ger funktioniert.

 

Wie dem Klimawandel zu begegnen sei, be­schäftigt auch viele Kulturschaffende. Wie sehen Sie deren Rolle im Prozess „Demo­kratisierung der Demokratie“? In der künst­lerischen Praxis stecken viele von ihnen in einem Dilemma: Einerseits Solidarität mit Emanzipationsbewegungen gegenüber den sogenannten Mehrheitsgesellschaften, an­dererseits die aktuell offenbar notwendige Begrenzung auch von deren Ansprüchen im Namen allgemeiner Überlebenschancen auf diesem Planeten. Einerseits internationale Kooperationen, anderseits die Vermeidung von internationalen Flugreisen...

Kulturschaffende stecken grundsätz­lich in keinem anderen Dilemma als „normale“ Bürgerinnen. Aber womöglich stellt sich für sie die Frage noch dringlicher und begrün­deter, was eigentlich die Voraussetzungen der eigenen Freiheit sind und welche Konse­quenzen ihre Inanspruchnahme zeitigt. Zu­gleich sind sie aus verschiedenen Gründen besser als andere positioniert, eben die­se Fragen zu stellen und ihre Antworten öf­fentlich zu machen. Genau hier sehe ich die politische Aufgabe kultureller Produktion: Die Bedingungen der Möglichkeit des eige­nen Tuns – und Lassens – zum Thema der kritischen Auseinandersetzung werden zu lassen. Wie kann mir selbstverständlich er-scheinen, was für andere außerhalb ihrer Vorstellungskraft, geschweige denn ihrer Handlungsmacht liegt? Die Möglichkeiten der Selbstverständigung dafür zu nutzen, Selbstverständnisse zu befragen und Selbst­verständlichkeiten zu erschüttern – darin sind sich Kulturschaffende und Wissens­arbeiter (im Idealfall) durchaus ähnlich. Wenn sie dafür auch mal über den Atlantik fliegen müssen oder wollen – nun ja. Unter gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen sollte als Entscheidungshilfe dafür das gute alte Fritz-Teufel-Kriterium in Anschlag gebracht werden: Wenn’s der Wahrheitsfindung dient…

 

Welche Chancen geben Sie dem Prinzip So­lidarität unter dem Druck der Herausforde­rungen des 21. Jahrhunderts? Zurzeit sieht es ja mehr nach Spaltungen, nach Entsoli­darisierung aus. Ist Solidarität (zumal un­ter sozial Ungleichen!) vielleicht nicht doch nur eine alte Utopie aus dem Köcher der Geschichte idealistischer weißer Männer? Verbirgt sich hinter dem sozialgeschichtlichen Hochwertbegriff „Solidarität“ Angst vor der unpopulären Forderung nach (eige­nem) Verzicht?

Aus einer ökonomisch und sozial privilegierten Position heraus argumentierend – also aus Sicht des oberen Fünftels un­serer Gesellschaft oder auch des reichsten Fünftels der Weltgesellschaft – sind „Solidarität“ und „Verzicht“ heute keineswegs logische Gegensätze, sondern vielmehr geradezu Synonyme. Die Soziologie hat es sich zur Regel werden lassen, unter Solidarität das wechselseitige füreinander Einstehen von Menschen zu verstehen, die sich als ei­nander bzw. einer gemeinsamen Gruppe zugehörig fühlen. Einer solchen sozialen In­zest-Solidarität möchte ich die soziologi­sche Idee – und wenn Sie so wollen auch das gesellschaftliche Ideal – einer politi­schen Queer-Solidarität entgegensetzen: Das nicht für-, sondern miteinander Han­deln der Verschiedenen, also derjenigen, die wenig bis nichts miteinander teilen als das bloße Menschsein. Die Demokratie, die wir kannten und in den Zeiten der west­lich-postkolonialen Nachkriegsprosperität zwar nicht lieben, aber doch schätzen lern­ten, war Fundament und Effekt der sozialen Inzest-Solidarität westlicher Staatsbürger­gesellschaften. Die kommende Demokratie wird Fundament und Effekt einer politi­schen Queer-Solidarität sein, inner-wie zwi­schengesellschaftlich. Oder aber, so düster stehen die Dinge nun einmal, sie wird nicht sein. Das einzig Gute ist: Gerade wir, die (so steht angesichts der Leserinnenschaft dieser Publikation zu vermuten) doppelten Angehörigen des oberen Fünftels, haben noch die Wahl. Die Wahl, auf die soziale Be­grenzung und ökologische Entgrenzung der Demokratie zu verzichten. Denn jeder „Ver­zicht“, der gesellschaftlich relevant und de­mokratisch der Rede wert sein soll, ist nicht individuell, sondern kollektiv; keine Politik mit dem Einkaufskorb, sondern eine Politik ohne Maulkorb. Es ist der gemeinsam orga­nisierte Verzicht, an einer Demokratie teil­haben zu wollen, die andere ausschließen muss, damit wir teilhaben können.

Die Fragen stellte Friederike Tappe-Hornbostel.

 

Stephan Lessenich

Stephan Lessenich ist Soziologe und Professor für Soziale Entwicklungen und Strukturen an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Viel diskutiert wurde in Fachkreisen, aber auch in einer breiteren Öffentlichkeit sein 2016 bei Hanser Berlin erschienenes Buch "Neben uns die Sintflut. Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis". In jüngster Zeit beschäftigen ihn Fragen der Demokratie und ihren Funktionsbedingungen, z.B. in dem Band "Was stimmt nicht mit der Demokratie? Eine Debatte mit Klaus Dörre, Nancy Fraser, Stephan Lessenich und Hartmut Rosa", 2019 herausgegeben von Hanna Ketterer und Karina Becker bei Suhrkamp. Im selben Jahr erschien von ihm "Grenzen der Demokratie. Teilhabe als Verteilungsproblem" bei Reclam.

 

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